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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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war. Ich musste der Hegenzerin versprechen, dich wieder zu versöhnen.« Das hässliche Gesicht mit der langen Adlernase verzog sich verbittert. »Sonst hätte sie mich aus der Stadt gewiesen. Sie dulde hier keine Denunzianten, hat sie erklärt. Wenn sie sagt, dass du keine Hexe bist, dann muss eine unwissende Frau wie ich mich fügen. Ich bin nicht so gelehrt. Und sie ist eine Frau der Kirche. Aber ich tue es nicht nur deshalb. Ich habe mich hinterher ganz schlecht gefühlt damals. Ich wollte nicht, dass es so weit geht. Ich wollte dir nur einen Schrecken einjagen. Fragt mich nicht, warum, ich weiß es nicht. Der Teufel muss in mich gefahren sein. Also, das Reden liegt mir nicht. Nimmst du meine Entschuldigung an?« Wieder streckte sie Katharina den Korb entgegen. »Hier, das kannst du vielleicht brauchen.«
    Unter dem Leinentuch, das über den Korb gelegt war, piepste es leise. Vorsichtig hob Katharina eine Ecke des Stoffes und sah drei Küken, die sich zitternd aneinander drängten.
    Sie streckte Elisabeth ihre Hand hin. »Komm herein«, sagte sie rau. »Und lass uns reden. Danach wollen wir nie wieder über die Vorfälle von damals sprechen.«
    Elisabeth nickte dankbar und trat ein. Dann sah sie sich staunend um. Katharina hatte nicht viel. Dennoch war es sauber in dem kleinen Haus, warm und behaglich. Auf dem einfachen Tisch aus Tannenholz stand ein Krug mit Frühlingsblumen von der Wiese. Um den Tisch standen vier dreibeinige Schemel, an der Ostwand neben der Eingangstüre eine Weidentruhe. Sie hatte einst der alten Nele gehört. Über dem Kamin hingen ordentlich aufgereiht einige Pfannen und Töpfe, sauber geputzt. Sogar ein kleiner, gewebter Wollteppich bedeckte den Steinfußboden. Es war einfach, aber ein Heim.
    »Schön hast du es hier«, murmelte Elisabeth.
    Die beiden Frauen redeten noch lange an diesem Abend. Katharina lernte eine einsame, verbitterte Frau kennen, die sich in ihrem Leben lange vergeblich nach Liebe gesehnt hatte. Sie wurden niemals richtige Freundinnen, denn so ganz konnte Katharina nicht vergessen. Doch Elisabeth kam von nun an öfter. Sie liebte die Kinder und schien mit der Rolle einer entfernten Tante zufrieden zu sein. Das war mehr an Familie, als sie jemals gehabt hatte. Und mit der Zeit wurde auch ihr glühender Neid auf dieses Niemandskind weniger, dem all das in den Schoß gefallen war, wovon sie, die Bürgerstochter aus gutem Hause, nur träumen konnte: die Zuneigung und die Freundschaft von Menschen, an die sie nie herangekommen war. Sie spürte, obwohl Katharina nie darüber sprach, dass auch die einstige Feindin ihr Bündel an Leid zu tragen hatte. Das stimmte Elisabeths Herz weicher. Sie verstand nicht mehr, warum sie jemals hatte glauben können, dass diese Frau eine Hexe sei. Wäre sie es gewesen, hätte sie niemals ihren Mann verloren, um den sie sehr zu trauern schien. Auch wenn sie ihn ihr gegenüber niemals erwähnte.
    Zu den Kindern sprach Katharina oft über Konz Jehle. Sie wollte nicht, dass sie ihren Vater vergaßen. Es wärmte ihr das Herz, von der Zeit ihrer Kindheit zu erzählen, von jenen Tagen, als sie dem älteren Konz überall hin gefolgt und von ihm beschützt worden war.
    Anna begeisterten diese Geschichten besonders. »So wie ich mit Thomas«, lispelte sie mit leuchtenden Augen.
    Der Junge nickte ernst dazu. Der Vergleich kam ihm durchaus nicht abwegig vor. Er war der Mann im Haus, solange der Vater nicht da war. Er sehnte sich mit seinem ganzen Herzen nach ihm und glaubte fest, er würde wiederkommen. Irgendwann würde der große Mann, der ihn so oft bei der Hand genommen und ihm die Dinge des Lebens erklärt hatte, wieder vor der Türe stehen. Aber solange das nicht der Fall war, musste er die Frauen beschützen.
    Katharina ahnte, was in dem Buben vor sich ging, der viel zu früh hatte erwachsen werden müssen. Sanft strich sie ihrem Sohn übers Haar. Auch sie war in Gedanken jeden Tag bei Konz Jehle. Der vierte Schemel am Tisch stand für ihn dort und würde auf ihn warten.
    Inzwischen hatte sie allerdings einige Verehrer. Thomas sah das gar nicht gerne. Da war dieser Zimmermann, Mathias Henlein. Immer scharwenzelte er um die Mutter herum. Dabei stand das Haus doch schon lange. Aber der lästige Freier fand noch einiges zu tun. Er mauerte die Brunnenfassung neu, schleppte die verschiedensten Gegenstände an. Zum Beispiel den Wollteppich hatte er gebracht. Thomas fand zwar eigentlich, das sei ein schönes Geschenk, doch er ahnte, was der Mann vorhatte.

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