Zeit des Lavendels (German Edition)
Katze aus dem Haus ist, dann tanzen die Mäuse. Was ist denn hier los, ihr Weibsleute? Wollt ihr einem müden, hungrigen Angler nicht seinen Fang abnehmen und daraus ein anständiges Essen bereiten?«
Genoveva wandte sich strahlend zu ihrem Mann um. »Katharina darf zurück nach Seggingen. Die Hegenzerin ist endlich gekommen. Sie erlaubt es ihr. Schau, hier ist der Brief von Magdalena.«
»Na, Mädchen, das ist ja schön. Die Heimat ist halt etwas anderes, als in einem fremden Haus zu wohnen. Auch wenn du uns fehlen wirst«, erwiderte Thomas Rischacher.
Abrupt blieb Katharina stehen. »Ihr werdet mir auch fehlen«, meinte sie leise.
Drei Wochen später reiste sie mit ihren Kindern ab. Magdalena von Hausen hatte ihr eine Kutsche geschickt, die sie nach Hause bringen sollte. Diesmal kam sie nach Einbruch der Nacht in die Stadt. Nur die streunenden Hunde begleiteten das Gepolter der Kutschräder über die Bohlen der Holzbrücke mit ihrem Gebell. Es gab keinen großen Empfang.
Agatha Hegenzer von Wasserstelz, klein und drahtig, hatte ganz entschieden die Qualitäten eines Feldwebels. Ihr Kommandoton dröhnte des Öfteren durch die Gänge des Stiftes mit der Macht einer Posaune. Außerdem war sie eine Frau, die keine Dummheiten duldete. Und Hexenglauben war für sie Dummheit. Sie schämte sich dafür, dass ausgerechnet ihr Orden, die Dominikaner, die dunklen Henkersknechte der Inquisition stellte. Der Teufel war überall! Aber mit Magie hatte das nichts zu tun. Ihre Begrüßung für Katharina war knapp: »Da seid Ihr ja.«
Danach wurde sie praktisch. Ihre Anordnungen waren im Ton ebenso durchdringend wie ihre Worte präzise. Katharina sollte die ersten Wochen bei Magdalena von Hausen bleiben und möglichst zurückhaltend sein. Dann musste sie umziehen. Im Alten Hof, so leer manche Häuser auch sein mochten, war nur Platz für die Stiftsdamen. Sie solle sich also eine andere Bleibe suchen. Und sich im Übrigen anständig benehmen. Sie dulde keinen Zauberfirlefanz und kein Heilergetue.
Katharina nickte brav. Bestimmte Bewegungen hatte sie von Kind an gut geübt.
Magdalena von Hausen hingegen hatte sie zur Begrüßung in die Arme genommen. »Es ist schön, dich wieder hier zu haben«, sagte sie nur. Das reiche Gewand der Fürstäbtissin hatte sie mit der dunklen Tracht der Stiftsdamen getauscht: Wiler, Kleid und Übergewand. Es war aus demselben Stoff gefertigt wie das Überkleid. Sie wollte auch äußerlich zeigen, dass sie sich ihrer Stellung im Stift als Sünderin wohl bewusst war und sich keinerlei Befehlsgewalt über den Besitz und die Gotteshausleute mehr anmaßte.
Katharina hatte keinerlei Probleme, sich wieder an den geregelten, wenn auch geschäftigen Ablauf der Dinge im Stift zu gewöhnen. Agatha Hegenzer von Wasserstelz duldete keine müßigen Hände. Wer im Stift aß und lebte, hatte zu arbeiten. Jeder bekam sein gerüttelt Maß an Aufgaben zugeteilt — neben dem regelmäßigen Besuch der Gebetsstunden. Zu Katharinas Aufgaben gehörte das Schreiben von Briefen in den Belangen des Stiftes ebenso wie das Putzen von Gemüse in der Küche. Agatha Hegenzer hielt nichts davon, die Abhängigen nur mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die ihnen zu Kopf steigen und sie ihren Stand vergessen lassen könnten. Aber sie hielt viel davon, dass jeder seinen Platz im Leben hatte. So dauerte es eine Weile, bis Katharina ihre Kinder bei der Hand nehmen und jenen Besuch machen konnte, der ihr schon so lange am Herzen lag. Sie wollte hinauf zur Burg der Wieladinger.
Es war ein klarer Sommertag im Juni 1552, als Katharina zur Burg ihrer Vorfahren hinaufstieg. Sie hatte von der Äbtissin die Erlaubnis bekommen, mit den Kindern in der ehemaligen Bannwarthütte ihres Mannes beim Dinghof Murg zu übernachten.
»Ich verstehe, dass Ihr Euch um die Angelegenheiten Eures verschwundenen Gatten kümmern müsst. Das erwarte ich sogar von Euch. Es wird Zeit, dass die Bannwarthütte geräumt wird. Packt also die Sachen von Konz Jehle zusammen und schafft sie fort. Der neue Bannwart hat ein Anrecht darauf, die Behausung uneingeschränkt nutzen zu können.« Wenn sie einen Entschluss gefasst hatte, duldete Agatha Hegenzer von Wasserstelz keinen Widerspruch.
Wieder nickte Katharina bescheiden. Das kam ihren Wünschen sehr entgegen.
Die Morgensonne warf ihre ersten Strahlen rot auf die sanften, runden Hügel des Fricktals, die Tautropfen im Gras glitzerten im ersten Licht des Tages, als Katharina oberhalb der Hammerschmiede mit Anna und
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