Zeit des Lavendels (German Edition)
sie wirkte und so robust sie sich gab, die Gicht quälte sie und so manch anderes Zipperlein obendrein. Besonders zu leiden hatte sie unter verklemmten Winden. Viele Stunden saß Katharina am Bett der Äbtissin und massierte sanft den fürstlichen Bauch.
»Du hast heilende Hände«, rutschte es der Hegenzerin einmal heraus. Das war ein besonderes Lob, und Katharina wusste es wohl zu schätzen. Diese Frau war sonst nicht so schnell bei der Hand mit spontanen, wohlwollenden Äußerungen.
Und noch einer hatte sich gemeldet. Nun, da Katharina zurück war, sah er eine Möglichkeit, sie doch noch in sein Haus zu bekommen. Er hatte das Mädchen nie vergessen können, über all die Jahre nicht. Es gab nicht viele Frauen, die sich ihm versagten. Er brannte darauf, sie in seine Gewalt zu bekommen. Doch die Worte, die er in seinem Brief an Agatha Hegenzer fand, waren sanft wie das Schnurren einer Katze.
Er habe Katharina einst als sittsames Mädchen kennen gelernt, schrieb er. Nun sei er bereit, ihr und ihren Kindern eine neue Heimat zu geben — bis ihr Gatte wieder auftauche und sie beschützen könne. Er benötige dringend eine fähige Haushälterin, sei sogar bereit, ihre Kinder mit aufzunehmen und sie zu guten, christlichen Menschen zu erziehen. Vielleicht könne er es sogar ermöglichen, ihrem Sohn Thomas die Erziehung in einem Kloster zukommen zu lassen. In Seggingen sei die junge Frau doch nur in Gefahr, solange sie nicht davon ablasse, die Menschen zu heilen. Schließlich müsse doch auch die aller-gnädigste Fürstäbtissin wissen, wie verbreitet die schwarze Magie und die Teufelsanbetung gerade bei den Heilerinnen sei. Es sei also besser, Katharina von ihrem Tun abzubringen und sie mit der gottgefälligen Arbeit im Haus unter der Aufsicht eines Mannes der Kirche zu betrauen, der auf ihr Seelenheil achten könne.
Agatha Hegenzer von Wasserstelz hatte keine allzu hohe Meinung vom Konstanzer Domherren. Die Gerüchte über seine diversen Liebschaften waren selbst bis zu ihr gedrungen. Auch das Geflüster darüber, dass er mit seinen Buhlschaften nicht allzu sanft umging und an so mancher seine perversen Gelüste austobte. Sie hatte keineswegs die Absicht, Katharina zu ihm zu schicken.
Das schrieb sie ihm auch. In gesetzten Worten und sehr höflich. Doch die Botschaft ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie lautete: Lasst die Hände von dieser Frau.
Sie erzählte Katharina erst von diesem Schreiben, als der Brief bereits abgesandt war. Die Äbtissin konnte sich zwar nicht vorstellen, dass die junge Frau zu Murgel wollte. Aber es wäre dumm, ein Risiko einzugehen. Sie war dann jedoch sehr überrascht, wie dankbar Katharina für diese Ablehnung zu sein schien. Sie hatte ihr sogar spontan die Hand geküsst. Agatha Hegenzer konnte sich keinen Reim darauf machen.
Doch sie vermerkte diesen Vorfall sorgsam in jener Kammer ihres Gedächtnisses, in die sie all die Dinge tat, die sie zu gegebener Zeit aufzuklären gedachte. Sie mochte keine Geheimnisse, und sie war eine geduldige Frau. Jedenfalls konnte es nicht schaden, wenn Katharina ihr gebührend dankbar war. Sie würde an ihren Bruder Melchior von Hegenzer schreiben und sich über Katharina erkundigen. Vielleicht wusste auch der Schönauer etwas. Inzwischen hatte sie diesen besonnenen, ehrlichen Mann schätzen gelernt. Auch wenn er für ihren Geschmack etwas zu sehr der Völlerei und dem Wein frönte.
Für Katharina hatten diese friedlichen Jahre aber auch eine Kehrseite. Die neue Fürstäbtissin hatte ihr ein Zuhause gegeben, ihr gestattet, wieder in ihrer Heimat zu leben. Dafür war sie ihr dankbar. Andererseits hinderte Agatha Hegenzer sie aber daran, zu tun, was sie und Magdalena von Hausen sich geschworen hatten. Sie wollten so schnell wie möglich nach Italien. Die eine, um Konz Jehle zu finden, die andere auf der Suche nach Thomas Leimer. Und beide, weil sie fürchteten, die Männer könnten sich gegenseitig etwas antun.
Magdalena von Hausen stand unter Hausarrest und konnte deshalb nicht reisen. Und Katharina hatte Agatha Hegenzer ihr Wort gegeben, nicht ohne ihre Erlaubnis fortzugehen. Das war der Preis für die Heimat, die sie für ihre Kinder schaffen durfte. Doch Katharina wusste, der Tag würde kommen, da sie ziehen konnte, um ihren Mann zu suchen. Nichts im Leben blieb sich gleich, nichts war unabänderlich. Irgendwann würde Agatha Hegenzer ihren Bitten Gehör schenken, von denen sie jetzt nichts wissen wollte. Und irgendwann würde sie
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