Zeit des Lavendels (German Edition)
vielleicht auch Magdalena von Hausen gehen lassen. Bis dahin konnte sie nichts tun, als warten und hoffen, dass Konz heimkäme, gesund und munter. Aber er kam nicht. Ebenso wenig wie Thomas Leimer.
Magdalena von Hausen hatte über ihren Bruder Veit Sixtus, über den Bischof von Konstanz, selbst über Jakob Murgel nach den beiden Männern forschen lassen, hatte alle ihre Verbindungsleute angeschrieben, die Kontakte nach Italien unterhielten. Doch es kam keine Nachricht, ob die beiden Männer noch lebten, was sie taten, ob es ihnen gut ging. Sie schienen von der Erdoberfläche verschwunden zu sein.
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R om war der schmutzigste Ort, den Konz kannte. Selbst nach mehr als drei Jahren in der Ewigen Stadt konnte er sich nicht an die besondere Mischung römischer Ausdünstungen gewöhnen. Sogar das kleine, bescheidene Seggingen stank weniger als diese heilige Kloake. Auf den Straßen bildeten Dreck, Abfälle, faulige Gemüsereste, Pferdeäpfel und Hundescheiße eine übel riechende Mischung. Manchmal kauerte auch ein toter Bettler an einer Straßenecke. Konz sah Verhungernde und Kranke mit schwärenden Wunden in Türnischen. An warmen Tagen schickte diese Stadt ihre Ausdünstungen wie eine verwahrloste, schamlose Hure gen Himmel. An solchen Tagen ließ es sich nur am Tiber einigermaßen aushalten. Häuser, die nicht mehr benötigt wurden oder baufällig waren, wurden einfach dem Verfall überlassen und boten allerlei Gelichter und Diebesgesindel Unterkunft. Es war selbst für einen Hünen wie ihn gefährlich, nachts allein in Rom unterwegs zu sein. Die Überreste der alten Kultur aus den Gründerzeiten Roms schienen die Menschen nur als eine Art Steinbruch zu betrachten, aus dem sie sich bedienen konnten, um Material für neue Häuser zu beschaffen. Teile von Obelisken und Säulen, von Reliefs, der Arm einer klassischen Statue, alles wurde irgendwie irgendwo eingebaut. Auf der anderen Seite begannen die neuen Meister die klassischen Formen des alten Roms und der Griechen wieder zu entdecken. Für Marmorstatuen gab so mancher reiche Römer Unsummen aus. Es gehörte bei den Wohlhabenden zum guten Ton, sich das moderne Altertum in Haus und Garten zu holen. In den meisten Fällen waren es schlechte Kopien von Bildhauern, die das Original noch nie gesehen hatten.
Viele Menschen dieser Stadt waren innerlich genauso verfault wie die Kloake, in der sie lebten. Das galt auch für die großen Familien Italiens, die Borgia, die Medici, die Sforza, die Orsini. Gleich, wo sie regieren mochten, in Florenz, Mailand oder Venedig, sie alle legten Wert darauf, in der Ewigen Stadt, hier, im Zentrum der kirchlichen Macht, in irgendeiner Form präsent zu sein. Manche hatten nur ihre Spione geschickt, andere einen Palazzo errichtet. Die äußerliche Tünche war prachtvoll und verschwenderisch; aber innerlich waren diese Menschen ebenso voller dekadenter Fäulnis wie die Straßen, in denen sie wohnten. Gewissen war für diese Römer ein Fremdwort, die Intrige der Lebenssaft. Mancher verkrüppelte Bettler war im Vergleich zu ihnen ein Heiliger.
Konz wusste dies alles aus eigener Erfahrung. Er hatte durch Giovanna Zugang zu einer Welt gefunden, die unter der Welt von Rom lag. Auch in ihr waren die Gewalten ebenso streng verteilt wie unter den Mächtigen, auch hier herrschten Neid und Habgier. Doch wer sich in den Gängen und Räumen im Bauch der Stadt einmal einen Platz erobert hatte, der war seines Lebens sicher, auch nachts. Denn hier gab es wenigstens in Ansätzen so etwas wie Loyalität und Ehre, sogar tiefen Glauben an die Gerechtigkeit Gottes. Es war die Welt der Diebe, der Huren und Mörder, tief unten, in der Dunkelheit der Katakomben und Kanäle. Ein eigener, weit verzweigter Staat hatte sich dort gebildet, mit Spionen in vielen der Palazzi
Wer sich unter den Reichen, den Mächtigen einen Feind vom Hals schaffen, ein ungewolltes Kind loswerden, eine Information erhalten oder sich einen Liebestrank besorgen wollte, der wandte sich an diese Welt. Bei Tageslicht waren die beiden Ebenen streng getrennt. Doch im Schutz der Nacht gab es so manche Verbindung.
Und in dieser Welt war Giovanna, die kleine Venus von Trastevere, inzwischen so etwas wie eine Fürstin. Ihre Beziehungen zu Priestern und höheren Klerikern brachten ihren Freunden manche Nachricht, die sich gut in klingende Münze umwandeln ließ. Außerdem hatte sie durch ihre Herkunft Zugang zu einer dritten Welt, die auch den normalen Dieben sonst verschlossen blieb: zum
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