Zeit des Lavendels (German Edition)
Menschenleben auf Euer Gewissen laden? Wollt Ihr mit einer solchen Schuld vor Gott treten? Diese Tat wiegt unendlich schwerer als der Diebstahl von Steinen. Und wie wollt Ihr mit einer solchen Todsünde auf dem Gewissen einmal Eurem Sohn und Eurer Tochter offen in die Augen schauen? Die beiden brauchen Euch, genauso wie Katharina. Sie liebt Euch von Herzen. Gebt ihr doch wenigstens die Gelegenheit, Euch zu erklären, wie alles kam. Euch zu sagen, wie sehr sie bereut, was sie getan hat, wie sehr sie sich wünscht, dass Ihr wieder heimkommt. Sie hat inzwischen ein Haus gebaut. Es wartet auf Euch, wie die Menschen, die darin wohnen. Und gebt auch meinem Gatten die Gelegenheit, sich zu rechtfertigen, und damit die Möglichkeit, auf den rechten Weg zurückzufinden. Ich flehe Euch an. Seid Ihr denn so rein und schuldlos, so ohne Sünde, dass Ihr Euch zum Richter aufschwingen könnt über andere, die gefehlt haben? Wollt Ihr ihnen denn keine Möglichkeit geben, gutzumachen, was geschah, Buße zu tun, aus ihren Fehlern zu lernen und so ihre Seele zu retten? Denkt daran, Konz Jehle von der Niedermühle: Auch Ihr seid nur ein schwacher Mensch. Auch Ihr habt schon andere verletzt und verraten, ohne es eigentlich zu wollen.«
Konz wurde rot. Er dachte an Giovanna. Wie konnte diese Frau das wissen? Nein, sie wusste es wohl nicht. Aber Magdalena von Hausen war eine gute Menschenkennerin. Sie sah sofort, dass es ihr gelungen war, bei Konz einen wunden Punkt zu treffen.
Eigentlich gegen seinen Willen wurde er weich. »Also gut«, brach es schließlich aus ihm heraus. »Ich sehe keinen Sinn darin. Aber Ihr gebt ja doch keine Ruhe. Ich bin bereit, mit Thomas Leimer und Katharina zu reden. Aber nur mit beiden zusammen — falls Ihr Leimer dazu überreden könnt.« Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie es schaffen würde, ihren Gatten zu einem Treffen mit einer ehemaligen Buhle und deren eifersüchtigem Ehemann zu bewegen. Leimer würde einer solchen Zusammenkunft niemals zustimmen. Das hoffte er jedenfalls, denn einen anderen Ausweg, dieser hartnäckigen Frau zu entkommen, sah er nicht.
Magdalena begriff sehr wohl, dass Konz versuchte, sich mit einem Trick aus der Schlinge zu ziehen. Doch dieser Mann kannte die von Hausens nicht. Wenn sie sich entschieden hatten, etwas zu tun, dann führten sie es auch aus. So nickte sie nur. »Gut, ich werde Euch Nachricht geben, wann und wo das Treffen stattfindet. Wo kann ich Euch finden?«
»Ich bin jeden Tag hier beim Dom.« Konz blickte auf den kleinen Jungen hinunter, den er noch immer am Kragen gepackt hielt. Er hatte bei seiner gewaltigen Kraft kaum etwas von dessen Befreiungsversuchen gemerkt. »Und was machen wir nun mit ihm?«
»Ich sagte es schon, ich werde ihn mitnehmen. Ein gutes Essen und ein Bad — am besten in umgekehrter Reihenfolge — werden ihn sicher etwas ansehnlicher machen. Vielleicht kann ich ja dann etwas für ihn tun.«
Der Kleine war durchaus nicht der Ansicht, dass er bei Magdalena von Hausen bleiben sollte. Doch Konz Jehle machte kurzen Prozess. Er beugte sich nieder und flüsterte dem Jungen etwas ins Ohr. Der wurde sofort mucksmäuschenstill, steif wie ein Stock und kreidebleich.
»Was habt Ihr ihm gesagt?«, wollte Magdalena von Hausen wissen.
Konz lachte. »Ich habe ihm erklärt, dass ihr eine gute Freundin des Königs der Diebe seid. Und der ist ein harter Mann. Er behandelt die unter seinen Schülern, die sich erwischen lassen, nicht besonders sanft. Das weiß der Kleine offensichtlich genau. Ich habe schon vermutet, dass er nicht aus eigenem Antrieb handelt, sondern zum Stehlen abgerichtet wurde wie ein kleiner Hund. Solche Kinder gibt es hier in Rom viele. Er wird jetzt ganz brav sein und mitkommen. Er hat viel zu viel Angst, dass Ihr ihn an seinen Herrn und Meister verratet.«
Magdalena von Hausen nahm die Hand des Jungen, und er ließ sie ihr willig. Das Kind schien sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. »Konz Jehle, in welche Gesellschaft seid Ihr hier nur geraten? Nun, in diesem Falle ist es wohl gut so. Also, Ihr hört sehr bald von mir.« Damit wandte sie sich um und ging.
Katharina musste laut herauslachen, als Magdalena von Hausen mit dem Buben an der Hand auftauchte. Unter all dem Dreck steckte ein pfiffiges Kerlchen, das konnte man sehen.
Jedenfalls trottete er brav neben Magdalena her, zumindest äußerlich. Sie konnte genau sehen, was in dem Jungen vorging. Sie kannte die Anzeichen der geheimen Rebellion viel zu gut von sich
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