Zeit des Lavendels (German Edition)
wen haben wir denn da? Das ist ja ein richtig hübscher kleiner Junge, der da zum Vorschein kommt. Holt das große Tuch, gnädige Frau, und trocknet ihn ab. Es ist zugig in der Kammer. Seht nur, wie er zittert. Sonst holt er sich noch die Schwindsucht.« Magdalena von Hausen beeilte sich, Katharinas Worten Folge zu leisten.
Es klopfte an die Türe. Katharina wischte sich die Hände am Rock ab und öffnete. Mit mürrischem Gesicht reichte Schwester Maria Annunciata ein Bündel sorgsam zusammengefalteter Kleider durch den Türspalt. Sie missbilligte es zutiefst, dass diese beiden Frauen, die doch nur Gäste im Hause der Dominikanerinnen waren, jetzt auch noch einen Mann ins Haus geholt hatten. Auch der Blick auf den völlig verwirrten Jungen vermochte nicht, sie zu besänftigen. Sie hatte es Katharina schon in der Küche gesagt: Männer hatten in diesem Hause nichts verloren, und seien es noch so kleine. Katharina nickte ihr freundlich zu. Immerhin hatte sie für den Jungen etwas zum Anziehen gebracht. Die Kleider, die er getragen hatte, taugten nur noch fürs Feuer. Mit einem energischen Knall schloss sich die Türe wieder.
Katharina kicherte. »Nun hat sie uns aber deutlich gezeigt, was sie von unseren guten Taten hält. Was soll's. Kommt, hohe Frau, lasst uns den Kleinen anziehen.«
Der ließ es resigniert mit sich geschehen. Er war so müde. Schon während des Anziehens fielen ihm die Augen immer wieder zu. Magdalena von Hausen bettete ihn sorgsam auf ihr Lager und deckte ihn liebevoll zu. Sie legte die Hand an ihre Brust. »Ich bin Magdalena«, bedeutete sie dem Kind. Dann wies sie zu der anderen Frau. »Katharina«, sagte sie. Schließlich legte sie ihre Hand leicht auf seine Brust. »Und wie heißt du?«
Er zögerte eine Weile. Dann erschien ein schüchternes Lächeln auf seinem Gesicht. »Giorgio«, murmelte er. Dann war er auch schon eingeschlafen.
Magdalena von Hausen lachte und wandte sich Katharina zu. »Georg also. Allerdings wird er wohl noch ein wenig brauchen, bis er dem heiligen Georg auch nur im Entferntesten ähnelt.« Dann wurde sie ernst. »Komm, setz dich zu mir an den Tisch. Ich muss etwas mit dir besprechen.«
Die junge Frau nahm Platz. Eine Weile betrachteten die beiden den schlafenden Jungen.
»Katharina, ich weiß nicht so recht, wo ich beginnen soll. Es ist so viel geschehen in diesen letzten beiden Tagen, von dem du noch nichts weißt.« Magdalena von Hausen zögerte. Doch jetzt war die Zeit gekommen, um Katharina von Konz Jehle und Thomas Leimer zu erzählen.
Die Jüngere unterbrach sie kein einziges Mal, schaute sie nur unverwandt an mit diesen großen, grünen Augen, das Gesicht weiß wie die Wand. Nur ein einziges Mal stöhnte Katharina unwillkürlich auf und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Es war, als Magdalena ihr berichtete, dass Konz Jehle sie nicht sehen wollte.
Mit sanfter Gewalt zog die frühere Äbtissin von Seggingen Katharina die verkrampften Finger vom Gesicht und nahm sie zwischen ihre Hände. »Es tut mir Leid, Katharina, dass ich dir dies alles so offen sagen muss. Ich hätte dir den Schmerz gerne erspart. Doch es ist viel zu viel gelogen und verschwiegen worden. Wir sind nicht nach Rom gereist, um so weiterzumachen wie früher, sondern um es besser zu machen, um all den Schmerz zu besänftigen, mit Liebe zu heilen, der in jedem von uns wühlt. Das geht nur durch Wahrheit, Verständnis und Verzeihen. Außerdem, du kennst ja die Männer. Sie sind äußerlich oft stark. Aber manchmal müssen wir Frauen sie mit weiblicher Entschiedenheit auf den richtigen Weg bringen. Die Zeit des Wartens ist vorüber. Ich weiß, was wir tun werden.«
Die beiden Frauen saßen in dieser Nacht noch lange beieinander und beobachteten den kleinen Giorgio, der mehr als einmal im Schlaf stöhnte und schrie. Immer wieder nahm Magdalena von Hausen ihn zärtlich in die Arme und streichelte seine Ängste fort. Im Halbschlaf kuschelte sich der Kleine vertrauensvoll an sie. Katharina betrachtete die beiden mit einem traurigen Lächeln. Sie musste bei diesem Anblick an ihre eigenen Kinder denken, die in Seggingen auf die Mutter warteten. Sie hatte Sehnsucht nach ihnen, nach ihrem Lachen, ihren großen, vertrauensvollen Augen, der Liebe, die sie ihr so kindlich unverkrampft und offen entgegenbrachten. Doch Magdalena von Hausen hatte Recht, erst war hier noch etwas zu erledigen.
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S keptisch blickte Michelangelo Buonarroti zur Kuppel hi- nauf. Nein, so ging das nicht. Er würde mit den
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