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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Leuten reden müssen. Das hier sollte die Krönung seines Lebenswerkes als Baumeister werden. Er sah die große Kuppel des Peters-doms schon vor sich, die im Moment erst langsam zu wachsen begann. Er würde keinesfalls Schlamperei dulden. Er verfluchte seine Knochen. Früher wäre er einfach hinaufgeklettert, hätte den Leuten an Ort und Stelle gezeigt, was sie anders machen mussten. Er strich sich über den weißen, sorgsam gestutzten Bart. Doch nun war er schon fast 80 Jahre alt. Der Körper versagte den Dienst, auch wenn der Geist noch hellwach war.
    »Meister, entschuldigt die Störung. Würdet Ihr mir einen kurzen Moment Eurer Zeit schenken?«
    Michelangelo fuhr herum. Sein ganzer kleiner, drahtiger Körper drückte Ablehnung aus. »Ich habe keine Zeit zu verschenken, das seht Ihr doch selbst.« Dann wurde seine Miene sanfter. Selbst mit fast 80 Jahren wusste er eine gut aussehende Frau noch immer zu schätzen. Und das hier war eine, auch wenn sie sich seltsam klösterlich gekleidet hatte. Er kannte die Tracht nicht. »Ihr seid doch nicht etwa eine Nonne? Das wäre Verschwendung der Gaben des Herrn.«
    Magdalena von Hausen lächelte, ihr bleiches Gesicht wurde dabei fast schön. »Nein, Meister Michelangelo. Ich bin keine Nonne. Im Gegenteil, ich bin hier, um meinen Gatten gesund heimzuholen. Und mit ihm einen Mann namens Konz Jehle. Er arbeitet als Steinhauer für Euch. Deshalb brauche ich Eure Hilfe.«
    Michelangelo musterte die Fremde misstrauisch, mit dem für ihn so typischen, wachen Blick. So, verheiratet war sie also. Zu schade. Das machte die Sache weniger reizvoll. Andererseits witterte er hier mit dem klaren Geist des Künstlers eine interessante Geschichte. Er liebte solche Geschichten. Waren sie doch der Stoff, aus dem die Träume sind und letztendlich das Material, aus dem er seine Werke webte. Sie bargen ebenfalls Geschichten aus dem Leben, zum Teil vermischt mit der Symbolik der Heiligen. Kurz gesagt, er liebte Klatsch. Und hier würde er einigen zu hören bekommen, da war er sicher. Er winkte Magdalena von Hausen hinüber zu seiner kleinen Baubude, nicht mehr als einige Stangen, die eine kleine Ecke des Petersdoms abtrennten. Hinter staubgrauen Vorhängen verborgen studierte er hier immer wieder die Pläne für seine Kuppel, verbesserte und änderte sie. Hier hatte er zumindest hin und wieder seine Ruhe vor den ständigen Fragen der Handwerker. »Setzt Euch.« Er wies auf einen wackeligen, dreibeinigen Schemel. »Erzählt.«
    Magdalena von Hausen schonte weder sich noch die anderen. Sie jammerte nicht, sie beschönigte nichts, sie fasste sich kurz. Die Achtung Michelangelos vor dieser Frau wuchs mit jedem Satz, den sie sprach. Diese hier war etwas Besonderes, keins von den üblichen dummen, geschwätzigen Weibern. Schade, dass er sie nicht schon früher getroffen hatte. Sie wäre es wert gewesen, in einem seiner Werke verewigt zu werden. Doch die Hände wollten nicht mehr. Er musste alles seinen Schülern überlassen.
    Sie sprach völlig ohne Selbstmitleid über das Drama ihres Lebens. Bewunderungswürdig! Er wusste selbst viel zu viel von Seelenpein, um nicht eine gequälte Seele zu erkennen, wenn er einer begegnete.
    »Und was wollt Ihr nun von mir?«
    Magdalena von Hausen erkannte das tiefe Mitgefühl in den klaren, jung gebliebenen Augen des alten Mannes. »Wir brauchen einen Raum. Wir alle müssen miteinander reden, um endlich Frieden zu finden. Und dann sorgt dafür, dass Konz Jehle kommt. Freiwillig wird er es wohl nicht tun. Er ist so voller Zorn und Schmerz. Ich fürchte, er wird sonst eine schreckliche Tat auf sein Gewissen laden und meinen Gatten töten. Bitte helft uns. Ich bin fremd in dieser Stadt. Ich weiß nicht, wohin oder an wen ich mich sonst wenden sollte. Ich habe nicht die Macht, Konz Jehle zu zwingen. Ihr habt sie. Er arbeitet für Euch.«
    »Seid Ihr sicher, dass das der richtige Weg ist?«
    Magdalena nickte.
    Der alte Mann mit den wachen Augen schaute sie einige Sekunden prüfend an. Es kam ihr vor wie èine Ewigkeit. »Gut. Ich werde Euch helfen. Ich glaube, Ihr meint es ehrlich. Und ich glaube, Ihr könnt es schaffen. Kennt Ihr das jüdische Ghetto bei der Tiberbrücke?«
    Magdalena schüttelte den Kopf. »Ich weiß, wo es ist, aber ich bin noch nie dort gewesen.«
    Michelangelo kümmerte sich nicht um ihren Einwand. »Ich habe Freunde dort, Ihr seid dort sicher. Fragt nach Aaron Rosenberg. Jeder kennt ihn. Ich werde Euch eine Art Passierschein mitgeben, sonst kommt Ihr

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