Zeit des Lavendels (German Edition)
Äbtissin zu fein dafür? Unser Domherr war jedenfalls nicht gut genug für Euro Gnaden Dienste.«
Katharina erwiderte nie etwas, in der Hoffnung, es würde Barbara irgendwann zu dumm werden und sie könnte die ganze Sache endlich vergessen. Allerdings schien sich Chorherr Konrad Besserer neuerdings besonders für sie zu interessieren. Jedenfalls lief er ihr ständig über den Weg, wenn Magdalena von Hausen sie zu Besorgungen schickte. Aber er benahm sich freundlich genug, sodass sich Katharina keine weiteren Sorgen machte. Sie war gerade wieder zu Magdalena unterwegs, eine heiße Milch auf einem Tablett vor sich hertragend, als sie an der Schulter eine Berührung fühlte. Sie drehte sich um und blickte in das strahlende, erhitzte Gesicht von Konz Jehle von der Niedermühle.
»Konz, was tust du denn hier im Stift! Willst wohl Barbara besuchen? Schön, dich zu sehen. Wir müssen uns unbedingt einmal beim Haus von Nele oder am Fluss treffen.«
Konz schüttelte den Kopf, sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter. »Ja, schon«, keuchte er völlig außer Atem. »Aber nicht jetzt. Ich habe eine Nachricht für die Äbtissin. Sie soll heute Nacht unbedingt zu Nele kommen. Da wartet eine alte Freundin auf sie.«
»Eine Freundin der Äbtissin bei der alten Nele? Das kann ich kaum glauben. Sag doch, wer ist das?« Katharina schaute gespannt zu Konz auf.
»Das darf ich eigentlich nicht sagen. Aber weil du meine Freundin bist und weil ich dir vertrauen kann und weil du es doch der Äbtissin sagen musst, also ...« Konz holte tief Luft.
»Nun red schon, mach es nicht so spannend«, fiel ihm Katharina ins Wort.
»Also, es ist Wibrandis Rosenblatt. Sie ist auf der Durchreise mit ihrem Gatten, dem Herrn Reformator Martin Butzer, und ihren Kindern. Aus Basel ist sie gekommen. Sie wollen erst nach Konstanz, um mit dem Reformator Ambrosius Blarer zu sprechen, und dann nach England.«
»Ehrlich, Wibrandis Rosenblatt ist da?«
»Wenn ich's doch sage«, grummelte Konz.
»Mein Gott, das muss ich schnellstens Magdalena von Hausen sagen. Sie war doch mit Wibrandis so gut befreundet, als sie noch in Seggingen lebte. Manchmal spricht sie von diesen Zeiten.«
»Sag ich doch, dass du's ihr sagen musst«, drängte Konz. »Ich kann nicht zu ihr. Wie würde das denn aussehen. Also geh endlich.«
Katharina tanzte fast vor Freude, als sie zu den Räumen der Äbtissin eilte. Die heiße Milch schwappte bedenklich in ihrem Becher. Das war einfach zu schön. Wibrandis Rosenblatt war da! Die Tochter des Schultheiß und Feldhauptmanns Rosenblatt. Eine Frau mit aufregender Vergangenheit. Eine Ketzerin. Durch die Erzählungen der Segginger war sie schon fast zu einer Legende geworden. Natürlich sprachen die anständigen Leute über Wibrandis Rosenblatt nur hinter vorgehaltener Hand. Doch gerade deshalb hatte Katharina versucht, so viel wie möglich über sie zu erfahren.
Erst vor kurzem, in einer der wenigen stillen Stunden, die ihr noch blieben, hatte die Äbtissin von Wibrandis erzählt. Katharina war gerade dabei gewesen, ihr die langen, dunklen Haare zu flechten. Magdalena von Hausen gestattete sich selten Minuten der Vertrautheit mit ihrer Zofe. Doch das Knistern des Feuers im Kamin, die wohlige, entspannende Wärme im Zimmer, die Dämmerung, die langsam hereinbrach, die angenehme Empfindung von Katharinas behutsamen Händen in ihrem Haar, hatten ihre eiserne Selbstdisziplin gelockert. Und zum ersten Mal beantwortete sie die Fragen nach der Freundin aus jenen Zeiten, als sie ins Stift gekommen war.
»Ich weiß noch, wie die Leute geredet haben, als der Feldhauptmann Johannes Rosenblatt seine Familie verließ und nie mehr auftauchte«, hatte Magdalena von Hausen versonnen gemurmelt. »Doch meine Wibrandis war nicht nur schön, sondem auch stark.« Katharina erinnerte sich noch genau, wie die Äbtissin gelacht hatte. Das fröhliche Lachen eines kleinen Mädchens. »Wibrandis kommt nämlich von viga und branda und bedeutet Kampfschwert.«
»Kennt Ihr die Familie Rosenblatt gut?« Katharina war ganz Ohr gewesen.
»Sie haben mir eine Art Heim gegeben. Ein kleines Mädchen aufgenommen, das sich einsam fühlte als Stiftsfräulein in einer fremden Stadt. Das alle Menschen verloren hatte, die es liebte. Die Eltern tot, der Bruder irgendwo im Dienst der Kirche. So viele Pläne haben Wibrandis und ich damals geschmiedet, als wir am Kamin saßen und Bratäpfel aßen!« Die Stimme Magdalenas hatte traurig geklungen.
»Nun, Ihr seid inzwischen die
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