Zeit des Lavendels (German Edition)
gestühlte Äbtissin dieses Stiftes. Und was ist aus Eurer Freundin geworden?«
Magdalena von Hausen seufzte. Doch zu Katharinas Überraschung hatte sie ihr auch auf diese Frage eine Antwort gegeben. »Wibrandis' erste Ehe in Seggingen hat gerade einmal zwei Jahre gedauert. Dann starb ihr Mann. Doch bald trat Johannes Oekolompad in ihr Leben, Reformator aus Basel und einer der wichtigsten Gefolgsleute des großen Martin Luther. Ich glaube, er war ihre große Liebe. Aber das Schicksal hielt noch mehr Prüfungen für meine Freundin bereit. Auch Oekolompad starb. Zur nämlichen Zeit verschied die Frau eines anderen Reformators. Und so wurde Wibrandis nach geziemender Trauer das Weib von Wolfgang Fabricius Capito.«
»Das muss ein gestrenger Mann und Vater gewesen sein, sagen die Leute.«
Magdalena von Hausen war irritiert gewesen über diese Unterbrechung. »Er tat, was er für richtig hielt, woran er glaubte. Aber du magst wohl Recht haben. In Capitos Glaubensbruder Martin Butzer hat der Herr meiner lieben Wibrandis nach Capitos Tod einen duldsameren Ehemann geschenkt. Seit April 1542 ist sie nun mit ihm verheiratet. Inzwischen hat sie vier Kinder. Butzer hat ihr auch erlaubt, wieder mit mir zu korrespondieren. Ihre Briefe haben mir sehr gefehlt in diesen schweren Zeiten.«
Inzwischen hatte Katharina ihr Ziel erreicht. Aufgeregt klopfte sie an die Türe der Äbtissin. Sie freute sich so, ihr die gute Nachricht zu überbringen, dass sie wieder einmal völlig vergaß, auf das »Herein« zu warten. Magdalena von Hausen sah erstaunt von ihren Papieren auf. Die inzwischen Fünfzehnjährige benahm sich manchmal immer noch wie ein kleines Mädchen. Als sie Katharinas strahlendes Gesicht sah, musste sie lachen. »Gnädigste Reichsfürstin, hohe Frau, stellt Euch vor, wer gekommen ist! Wibrandis Rosenblatt ist da!«
Magdalena von Hausen sprang so schnell von ihrem Schreibtisch auf, dass der Stuhl umkippte. »Wo ist sie? Bring sie doch herein, schnell. Das ist aber eine schöne Überraschung!« Selbst die sonst so beherrschte Äbtissin hatte ein wenig die Fassung verloren.
»Konz sagt, sie wartet bei der alten Nele auf Euch. Bitte, bitte darf ich mit?«
Lachend schaute Magdalena von Hausen auf die aufgeregte Katharina, die sie flehend ansah. »Bei Nele? Warum kommt sie denn nicht her? Sie weiß doch, dass sie jederzeit willkommen ist. Aber wie ich Wibrandis kenne, wird sie schon ihre Gründe haben. Also gut, Katharina, komm mit. Es würde sich ohnehin nicht schicken, wäre ich in der Nacht allein unterwegs.«
Konrad Besserer sah sie gehen. Und er schlich ihnen hinterher. Heute, heute würde er etwas finden, um die Äbtissin und diese Katharina unter Druck zu setzen. Er spürte es in seinen Knochen. Er hatte zwar nicht verstanden, was Jakob Murgel von diesen beiden wollte. Aber auch das würde er noch herausfinden. Besserer grinste hämisch. Das waren dann schon drei, die er in der Hand hatte.
4
D as Unheil braute sich über Katharina zusammen, ohne dass sie es wahrnahm. Neugierige Blicke, Getuschel hinter ihrem Rücken sobald sie vorüberging, gehörten zu ihrem Leben, seit sie denken konnte. So achtete sie auch diesmal nicht weiter darauf. Für Katharina war das ein Teil des Lebens wie Regen und Sonnenschein. Es war eben nicht zu ändern.
Doch Magdalena von Hausen machte dem Mädchen den Ernst der Lage schnell klar. Durchs Fenster des großen Schlafgemaches der Residenz der Äbtissin schickte die untergehende Oktobersonne ihre letzten Strahlen und malte Lichtpunkte auf die rot und golden gefärbten Blätter der Bäume auf den Hügeln am anderen Rheinufer. Das Verhalten Magdalenas stand in völligem Kontrast zu diesem friedlichen Bild des zu Ende gehenden Tages, einem der letzten Tage in diesem ungewöhnlich schönen Altweibersommer des Jahres 1544. Er hatte sogar den in früheren Jahren immer so sauren Trauben für den Stiftswein auf dem Rebberg ein paar zuckrig-blumige Geschmackstupfer verpasst. Es war ein gutes Jahr gewesen, dieses erste Jahr unter der neuen Äbtissin. Und natürlich brachten die Bauern des Stifts und die Bürger der Stadt dies auch mit dem Wirken von Magdalena von Hausen in Verbindung. Die Welt war wieder einmal in Ordnung, die Ernte reich und eingebracht, das Leben versprach, gut zu werden. Die Menschen bereiteten sich auf die dunkleren Tage vor.
Erstaunt betrachtete Katharina die sonst so beherrschte Fürstin. Magdalena von Hausen lief unruhig im Zimmer hin und her, schien einfach nicht
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