Zeit des Lavendels (German Edition)
Reiches war ein harter Mann, fest verankert im Glauben der Kirche. Nicht wie sein Bruder und Statthalter in den Vorlanden, der wankelmütige, weiche Ferdinand.
Ja, Domherr Jakob Murgel hatte große Pläne. Einer davon war es, der Ketzerei dieses Martin Luther und dessen Lehre endlich ein Ende zu setzen. Eine Lehre, die jetzt selbst in der ehrwürdigen Bischofsstadt Konstanz regierte. In der Stadt des Konzils, der Stadt der Bischöfe, in der Geschichte geschrieben und vor 100 Jahren noch Ketzer verbrannt worden waren. Wie Jan Hus. Die neue. Lehre der so genannten Protestanten oder Reformierten hätte auch Magdalena von Hausen als blutjungem Stiftsfräulein beinahe das Leben gekostet. Er erinnerte sich gut. Damals hatte auch sie die Schriften Luthers, Zwing-lis und Huttens gepredigt und engen Kontakt mit dem Ketzerpfarrer aus Waldshut, Balthasar Hubmaier, dem Reformationsprediger von Rheinfelden, Eberhard von Günzburg und dem gehenkten Bauernführer Konz Jehle von der Niedermühle gehabt. Doch sie hatte es geschafft sich irgendwie da herauszuwinden. Das Tribunal hatte sie laufen lassen, unter der Bedingung, künftig nur noch dem wahren Glauben zu leben und der ketzerischen Predigerei zu entsagen.
So war der Scharfrichter unverrichteter Dinge wieder abgereist. Konz Jehle war schon lange tot, Balthasar Hubmaier auch. Eberhard von Günzburg, inzwischen längst aus Rheinfelden vertrieben, war damals zu Martin Luther gereist. Die Pest über den Wittenberger! Diese Gedanken an Freiheit im Volk hatte das Reich nur ihm zu verdanken. Und Magdalena von Hausen ... Nur Lobeshymnen über sie, sei es vom eigentlich besonnenen Schönauer, der einen Narren an ihr gefressen zu haben schien, von Ditzlin, dem Leutepriester aus Waldshut, dem Waldvogt, den Segginger Ältesten. Das war zu schön, um echt zu sein.
Jakob Murgel war wieder ruhiger geworden, sein Hirn arbeitete fieberhaft. Irgendetwas war da zwischen Magdalena und dem Mädchen Katharina. Sonst hätte die Äbtissin ihm diesen kleinen Dienst, sie zu ihm zu schicken, nicht verwehrt. Er würde schon noch herausfinden, was es war. Ob es wohl mit Katharinas unbekannter Herkunft zu tun hatte? Auch darüber hatte er nichts herausfinden können. Ja, das musste es sein. Da war etwas faul, das konnte er schon fast mit Händen greifen. Er hatte selbst genügend Geheimnisse, um sofort zu wittern, wenn jemand etwas verbergen wollte. Vielleicht war Magdalena von Hausen selbst die Mutter? Nein, diese Vermutung ginge wohl doch zu weit. Aber es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn er nicht hinter dieses Geheimnis käme. Er war sich sicher, dann hätte er Magdalena von Hausen in seiner Hand. Doch dafür musste er erst einmal diese Katharina in die Finger bekommen.
In den herrischen, dunklen Augen Murgels zeigte sich ein leichtes Lächeln. Ihm würde etwas einfallen. Ihm fiel immer etwas ein. Die Finger seiner rechten Hand trommelten auf der geschnitzten Schreibtischplatte, dann stand er auf. Im Hin-und Hergehen konnte er einfach besser denken. Und langsam begann ein Plan in seinem Kopf Formen anzunehmen. Man musste diese Katharina in die Enge treiben — und mit ihr Magdalena von Hausen. So sehr in die Enge treiben, dass ihr am Ende nichts anderes übrig blieb, als Katharina fortzuschicken. Natürlich würde er sie dann — ganz im Zeichen der Nächstenliebe — gütigen Herzens bei sich aufnehmen. Ja, so musste es gehen. Er würde dafür sorgen, dass sich Katharina in Seggingen bald sehr unwohl fühlte. Und wo sollte sie sonst auch hin, außer zu ihm und unter seinen Schutz? Murgel lachte hart. Es fand sich doch immer ein Weg. Er würde sofort an Besserer schreiben und ihm Anweisungen geben. Nicht so deutlich, dass der ihm einen Strick daraus drehen könnte. Aber doch deutlich genug.
3
E s war Herbst geworden. In Katharina ließ die innere Anspannung langsam nach, während die Wochen vergingen, ohne dass ein neuer Brief von Jakob Murgel kam, der ihre Dienste forderte. Ihre Kammergenossin Barbara hatte natürlich durch den Küchenklatsch erfahren, dass Katharina sich geweigert hatte, nach Meersburg zu Murgel zu gehen. Im Stift blieb nichts lange geheim. Und so bekam sie mit schöner Regelmäßigkeit jeden Abend vor dem Einschlafen einige mehr oder weniger spitze Bemerkungen zu hören, die Barbara offensichtlich lustig fand. Jedenfalls kicherte sie immer dabei. »Na, gnädiges Fräulein, waren wir heute zum Arbeiten aufgelegt, oder sind Euer Gnaden sich inzwischen als Zofe der
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