Zeit des Lavendels (German Edition)
gegeben habt. Denn die Ehe ist Gott wohlgefällig. Ihr habt nur in Gottes Ordnung gebracht, was sowieso nicht mehr zu ändern war.«
Ditzlin nickte und setzte sich. Er hatte alle Mühe, sich nicht zu verschlucken. Mein Gott, war dieser Mann ein genialer Heuchler!
Konz Jehle war bereits gegen Mitternacht in Basel angekommen und hatte einer völlig verstörten Genoveva und ihrem Mann Thomas die traurige Geschichte ihrer Schwester erzählt. Die Rischachers waren ebenfalls der Meinung, dass hier nur noch Veit Sixtus und Wolfgang von Hausen helfen konnten. Alle drei setzten gemeinsam die Schreiben an die beiden Würdenträger auf — mit der dringenden Bitte, der Gefangenen zur Seite zu stehen, auch im eigenen Interesse. Weitere zwei Stunden später waren Boten mit den Schreiben unterwegs. Die Rischachers wollten dem müden Konz Jehle nicht auch noch diese lange Reise zumuten, zumal er in Sorge war um Katharina und seinen Sohn Thomas.
Weder Magdalena von Hausen noch Katharina schliefen in dieser Nacht. Im Zimmer der Gefangenen war ein wärmendes Feuer angezündet worden. Katharina legte in regelmäßigen Abständen die Scheite nach. Es war kalt draußen. Klirrender Frost hatte die ersten, zaghaften Anzeichen des Frühlings längst wieder vertrieben. Auf dem Tisch standen Wein und Brot. Doch Magdalena von Hausen hatte nichts davon angerührt. • Sie lag auf dem Bett, Katharina konnte ihr Gesicht im spärlichen Schein der Kerzen kaum erkennen. Für sie selbst hatte der Schönauer einen Strohsack herbeibringen lassen. Ganz wie es sich für eine Dienerin geziemte, dachte Katharina, die aber sehr wohl wusste, dass der Schönauer ihr nicht wohlgesonnen war. Das war seine Art, es zu zeigen — wobei er aber immer korrekt blieb.
Immer wieder schaute Katharina zu Magdalena von Hausen hinüber. Sie erwartete, ein Schluchzen zu hören oder einen Seufzer. Doch von der schemenhaften Gestalt unter der Decke kam kein Laut. Die Fürstin hatte nicht mehr gesprochen, seit sie gefangen genommen worden war. Auch Katharina blieb stumm. Das Wissen um die Rolle, die sie gespielt hatte, erstickte jedes Wort, das sie hätte sagen können. So teilten die beiden Frauen zwar ein Zimmer, doch in ihren Gedanken blieben sie allein. Für beide war der Morgen, der in wenigen Stunden heraufdämmern würde, kein Anfang eines guten Tages.
Gegen vier Uhr erhob sich Magdalena von Hausen leise und kniete sich neben ihre Bettstatt nieder zum stummen Gebet. Doch wieder richtete sie danach kein Wort an Katharina, sondern lehnte sich zurück in die Kissen. Das war das letzte Mal für lange Zeit, dass Katharina die Fürstin vor Gott knien sah. Denn Magdalena von Hausen erhob sich nicht mehr von ihrem Lager. Außerdem blieb sie stumm, so sehr sich Katharina und Hans Jakob von Schönau auch um sie bemühten. Sie trank nur Wasser, verweigerte mit einer selbst in ihrem Zustand noch gebieterischen Handbewegung jede Nahrung. Ihre Augen waren die eines verwundeten Tieres.
Hans Jakob von Schönau lief in seinem Studierzimmer auf und ab. Er war ausgesprochen schlechter Laune. Seine Frau, die Kinder und die Dienstboten wagten in seiner Nähe nur auf Zehenspitzen zu gehen und sich flüsternd zu unterhalten. Der Schönauer hatte die Äbtissin in den Jahren ihrer Regentschaft schätzen gelernt. Als Mensch war sie ihm lieb geworden, fast wie ein eigenes Kind. Nun musste ausgerechnet er, der die Güte und Klugheit, ja die Größe dieser Frau immer wieder bewundert hatte, sie in seinem Schloss gefangen halten.
Täglich versammelten sich von da an große Gruppen von Menschen vor dem Schlosstor. Stumm harrten sie dort aus, viele von ihnen bis zum Abend, ein stiller Gruß an jene Unglückliche, die so vielen von ihnen in ihrem Elend geholfen hatte. Doch der Schönauer konnte ihnen keine neuen Nachrichten bringen. Denn von der Regierung in Ensisheim und Ferdinand von Habsburg war noch keine Botschaft gekommen.
Eine Woche verstrich. Noch immer sprach Magdalena von Hausen kein Wort. Noch immer nahm sie nichts zu sich außer Wasser. Und noch immer hielten die Menschen draußen vor dem Schlosstor ihre stumme Wacht zu Ehren der traurigen Gefangenen. Manche waren selbst aus Laufenburg, aus Mettau aus Kaisten, aus Waldshut angereist. Sogar eine Abordnung aus dem Glarus hatte inzwischen vor dem Schlosstor ihr bescheidenes Lager aufgeschlagen. Täglich wurde die Menschenmenge größer. Diese stillen Wächter wurden Hans Jakob von Schönau langsam unheimlich. Gleichzeitig freute er
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