Zeit des Lavendels (German Edition)
Dunkelheit. »Haltet an, haltet sofort an! Lasst mich in die Kutsche!«
Konz Jehle zog scharf die Zügel an, als er die Stimme seiner Frau hörte. »Katharina, was machst du denn hier? Wo hast du nur gesteckt? Die Fürstin hat dich schon den ganzen Tag gesucht.«
»Jetzt ist nicht die Zeit für lange Erklärungen. Ich muss sofort mit der Äbtissin sprechen.«
»Katharina, du bist ja völlig aufgelöst. Aber es ist schön, dass ich mich doch noch von dir verabschieden kann. Ich dachte schon, ich sehe dich nicht mehr.« Magdalena von Hausen öffnete die Tür der Kutsche. »Komm, steig ein. Du bist ja völlig außer Atem. Bist du so schnell gerannt, um mich noch zu sehen? Ach, was rede ich da lange, steig ein, wir müssen schnellstens weiter. Wir dürfen niemandem auffallen.«
»Herrin, ich muss Euch etwas sagen. Es ist wichtig.«
»Später. Steig jetzt ein. Und kein Wort mehr, bevor du nicht in der Kutsche sitzt.«
»Könnt ihr Weiber euch nicht während des Fahrens unterhalten?« Der braune Wallach von Thomas Leimer tänzelte nervös. »Wir müssen fort. Gleich sind wir an der Brücke. Und dann kann uns niemand mehr aufhalten. Konz, treib die Pferde an.«
»Aber, ich muss doch ...«
»Katharina, die Äbtissin hat Recht. Steig jetzt ein. So unvernünftig habe ich dich noch nie erlebt.« Die Stimme von Konz Jehle ließ keinen Widerspruch zu. Seufzend stieg Katharina in die Kutsche. Sie saß kaum, da peitschte ihr Mann die Pferde in den Galopp. Die Hufe donnerten über die Bohlen der Brücke. Schon war sie fast überquert. Da bewegte sich das Gebüsch auf der anderen Rheinseite. Dunkle Schemen standen plötzlich am Rand des Weges, entzündeten ihre Fackeln. Konz griff heftig in die Zügel. Da war die Kutsche auch schon von düster dreinblickenden Männern umstellt. Einer, von massiger Gestalt, den eigentlich gutmütigen Mund verkniffen zusammengepresst, öffnete die Kutschentür. »Kommt heraus, Magdalena von Hausen. Hier ist Eure Flucht zu Ende. Ich erkläre Euch hiermit zur Gefangenen. Erwartet die Stunde des Gerichtes für Euer schmähliches Verhalten. Möge Gott Euch gnädig sein«, sagte Hans Jakob von Schönau.
Magdalena von Hausen hatte schon bei den ersten Worten nach der Hand Katharinas gegriffen. Selbst im Zwielicht der Fackeln war zu sehen, dass ihr Gesicht bleich wurde. Sie erhob sich würdevoll, um ihre Hand dem Großmeier des Stiftes zu reichen und sich ihm zu ergeben. Die Männer, die die Kutsche umringten, standen unbeweglich wie Statuen. Da durchbrach ein schrilles Wiehern die Stille. Thomas Leimer hieb seinem Pferd wütend die Sporen in die Flanken. Der Wallach bäumte sich auf. Dann hatte Leimer ihn wieder im Griff. In wenigen Sekunden waren der dunkle Mann und das braune Ross im Schutze des Waldes verschwunden. Keiner der Männer machte sich die Mühe, ihm zu folgen.
Magdalena von Hausen hob stolz den Kopf. »Ich gebe mich Euch gefangen, Schönauer«, sagte sie ruhig. »Verfahrt mit mir, wie Ihr es für richtig haftet.« Dann lehnte sie sich zurück auf ihren Sitz in der Kutsche. Keine Regung war ihr anzumerken, als die Männer die Zügel der fürstlichen Kutsche ergriffen. Einer hatte sich neben Konz Jehle auf den Bock gesetzt. Zwei weitere und der Schönauer kletterten zu den Frauen in die Kutsche. Wieder donnerten die Bohlen unter den Hufen der Rösser, dann das Kopfsteinpflaster der Stadt. Im Hof des Schlosses kamen die Pferde zum Stehen, und zwei Männer brachten Magdalena von Hausen in das ihr zugewiesene Gefängnis. Der Schönauer hatte ihr ein Zimmer seines Schlosses herrichten lassen. Als Reverenz an die Frau, die er früher so geschätzt hatte. Doch vor ihre Türe stellte er Wachen. Hier sollte sie warten, bis sich ihr Schicksal entschied.
Konz wollte der Äbtissin helfen, doch drei Männer hielten ihn fest. Katharina folgte Magdalena von Hausen die Treppe hinauf. Hans Jakob von Schönau hielt sie für einen Moment zurück. »Gott sei mein Zeuge, es wäre mir lieber gewesen, ich hätte nichts von dieser geplanten Flucht erfahren. Nun muss ich einen Menschen gefangen halten in meinen eigenen Mauern, dessen Güte und Klugheit ich schätzen gelernt habe, eine Frau, die die Menschen lieben. Das ist schon eine missliche Situation. Ich wollte, ich hätte diesen verfluchten Brief nie auf meiner Schwelle gefunden. Wenn ich nur wüsste, wer ihn geschrieben hat. Hast du vielleicht eine Ahnung?« Er blickte Katharina forschend in die Augen.
Der jungen Frau wich das Blut aus dem Gesicht. Sie
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