Zeit des Lavendels (German Edition)
antwortete nicht, schüttelte nur den Kopf. »Darf ich mit ihr gehen?«
»Nun, sie wird wohl jemanden brauchen. Eine Frau, die sie bedient. Und wohl auch eine Freundin in diesen schweren Stunden. Du bist ihr doch wohlgesonnen, oder?« Wieder dieser forschende Blick. Als könnte der Schönauer ihre Gedanken lesen.
Katharina nickte abermals. Abermals stumm.
»Nun gut. Aber ich warne dich: Wenn du ihr hilfst zu fliehen, müssen wir es alle büßen.«
»Herr, ich werde tun, was Ihr sagt«, antwortete Katharina und raffte die Röcke, um Magdalena von Hausen und ihren Bewachern über die Treppe in ihr Gefängnis zu folgen.
10
N och in derselben Nacht verließen drei Reiter in wildem Galopp die Stadt. Der erste war Dekan Mathias Ditzlin. Er hielt es für besser, Seggingen so schnell wie möglich den Rücken zu kehren, nachdem er gehört hatte, dass Magdalena von Hausen bei der Flucht mit Thomas Leimer gefangen genommen worden war. Ditzlin war nicht sonderlich erpicht darauf, auf seine Rolle in der ganzen Angelegenheit angesprochen zu werden. Auch wenn er im Interesse der Kirche gehandelt hatte, war ihm doch etwas mulmig geworden. Schließlich konnten ihm böse Zungen durchaus einen Strick daraus drehen, dass er die vom rechten Glauben abgefallene Äbtissin von Seggingen mit dem Ketzer Thomas Leimer zusammengegeben hatte. Und Magdalena von Hausen hatte in Seggingen viele Freunde.
Die Nachricht von der Gefangennahme war schnell in der ganzen Stadt bekannt geworden — auf jene geheimnisvolle Art, in der sich solche Neuigkeiten immer verbreiten. Deshalb hielt es Mathias Ditzlin für besser, wenn er sich sogleich zu Domherr Jakob Murgel nach Meersburg begab. Dieser würde seine Bemühungen zu schätzen wissen und ihn schützen, sollte es zu Schwierigkeiten kommen. Das hoffte Ditzlin jedenfalls. Jakob Murgel war schwer zu durchschauen. Seine Loyalität galt eigentlich nur einem Menschen: sich selbst. Das wusste er unter dem Mantel äußersten Glaubenseifers allerdings sehr gut zu verbergen. Deswegen konnte es nur von Vorteil sein, wenn Ditzlin ihm die gute Nachricht vom Fall der verhassten Äbtissin von Seggingen und seine Rolle in diesem Spiel selbst berichtete. Das würde den Dekan sicher in gute Laune versetzen. Und das wiederum wäre eine gute Gelegenheit, sich der Dankbarkeit von Murgel zu versichern.
Der zweite Reiter war ein Bote von Hans Jakob von Schönau, unterwegs mit einem Schreiben an die Regierung in Ensisheim. Darin schilderte der Großmeier die Geschehnisse und bat um weitere Anweisungen, was mit der Reichsfürstin Magdalena von Hausen zu geschehen habe.
Der dritte Bote schließlich war Konz Jehle. Ihm war klar, dass Magdalena von Hausen jetzt jede Hilfe brauchte, die sie bekommen konnte. Deshalb hatte er den kleinen Thomas noch in der Nacht zu einer Nachbarin gebracht. Nun war er auf dem Weg nach Basel zu Genoveva Rischacher, um ihr die Nachricht von der Gefangennahme ihrer Schwester zu überbringen. Genoveva und Rischacher selbst konnten wahrscheinlich wenig tun, da sie selbst Ketzer waren. Er hoffte jedoch, dass es ihnen gelingen würde, den Bruder Veit Sixtus von Hausen, Domherr zu Speyer, und den Vetter Wolfgang von Hausen, früher Probst des Stiftes Ellwangen und inzwischen Bischof zu Regensburg dazu zu bringen, sich beim Konstanzer Domherrn Murgel — und wenn es sein musste auch beim Papst — für Magdalena von Hausen einzusetzen. Er war notfalls bereit, die Bittschreiben selbst nach Speyer und nach Regensburg zu bringen. Auch wenn er dann lange Zeit Seggingen und seinen Pflichten im Bereich des Dinghofs Murg fernbleiben musste. Er wusste, dass Keller Wolfgang Erler ein solches Verhalten nicht billigen würde. Erler hatte für vieles Verständnis, war fast zu einem Freund geworden. Aber er duldete keine Schlamperei und keine Unzuverlässigkeit. Doch Konz war auch klar, dass es die kleine Familie ohne den Schutz der Fürstin ohnehin sehr schwer haben würde. Magdalena von Hausen hatte aus einem unerfindlichen Grund viel für den Bankert Katharina und den Sohn des Gehenkten getan. Nun war es an ihnen, diese Schuld abzutragen.
Der nächste Morgen dämmerte, als Mathias Ditzlin Murgels Bedienstete aus dem Bett holte und verlangte, sofort den allergnädigsten Domherrn zu sprechen. Dieser war zunächst durchaus nicht gnädig gestimmt. Er hasste es, zu dieser Stunde gestört zu werden. Schon gar von Ditzlin, den er für einen kleinen Kriecher hielt, eine Wanze — aber immerhin nützlich wie manches
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