Zeit des Lavendels (German Edition)
Die Chorherren Fridolin Imhof und Georg Pfiner, die seine Machenschaften nicht billigten, hatte Besserer schon aus dem Stift vertrieben. Mit den beiden Nachfolgern Johann Widmeyer und Heinrich Stößel kam er besser zurecht. Sie waren jung und unerfahren, eher geneigt, ihm zu folgen, ohne lästige Fragen zu stellen.
Das war also die Lage. Keine Stiftsdame, die Nachfolgerin von Magdalena von Hausen werden konnte, die sich jeden Anspruch auf dieses Amt verwirkt hatte. Damit drohte dem Stift die Auflösung. Und das war etwas, was Hans Jakob von Schönau auf jeden Fall verhindern musste. Einmal, weil er sich die Stadt ohne das Stift und seine Einnahmen nicht vorstellen konnte. Außerdem war das Großmeieramt mit großer Machtbefugnis und vielen Einkünften verbunden. Darauf konnte und wollte seine Familie nicht verzichten. Deshalb musste er dafür sorgen, dass alles weiterlief. Und sich gleichzeitig um die Nachfolge kümmern. Mein Gott, in welche Lage hatte Magdalena von Hausen mit ihrem Übertritt zum Protestantismus und der Heirat mit Thomas Leimer sie alle nur gebracht. Aber so war es doch immer im Leben. Auf Frauen war einfach kein Verlass. Erst brachten sie alles durcheinander, gefährdeten damit die Existenz anderer, und die Männer mussten danach sehen, wie sie alles wieder in Ordnung brachten. Trotzdem, er mochte diese gefallene Fürstin. Was auch immer sie getan hatte, sie hatte es reinen Herzens getan. Davon war er überzeugt.
Einer, der die Dinge ebenfalls gar zu gerne wieder in Ordnung gebracht hätte — auf seine Weise —, war Jakob Murgel. Gleich am Morgen, nachdem ihm Mathias Ditzlin die Nachrichten aus Seggingen gebracht hatte, war er zu seinem Bischof Christoph Metzler geeilt.
»Was bringt Ihr mir für Neuigkeiten, dass Ihr es gar so dringend macht?« Metzler machte sich keine Mühe, seine Abneigung gegen Murgel zu verbergen. Er mochte den Domherren nicht.
»Ich bringe leider schlechte Nachrichten.« Murgels Stimme war samtweich. »Magdalena von Hausen, Reichsfürstin und Äbtissin des Stiftes Seggingen, ist vom rechten Glauben abgefallen. Doch das ist noch nicht alles. Sie hat sich heimlich dem ebenfalls abgefallenen Mönch Thomas Leimer aus Basel als Frau anvermählt.« Murgel genoss es, den schockierten Ausdruck auf Metzlers Gesicht zu sehen. Die Abneigung war durchaus gegenseitig.
»Das ist ernst. Ausgerechnet jetzt muss das geschehen, wo unsere Rückkehr nach Konstanz in greifbare Nähe rückt — nicht zuletzt dank eures Verhandlungsgeschicks, geschätzter Domherr.« Murgel verbeugte sich stumm.
»Es ist, als habe der Satan hier selbst seine Hand im Spiele.« Metzler blieb eine Weile stumm. Murgel wartete, bis der Bischof mit seinen Überlegungen fortfuhr. Er wollte den Schock erst richtig wirken lassen, 'bevor er seine Idee vorbrachte.
Doch dem Bischof war die ganze Tragweite der Ereignisse durchaus klar. »Unser ausgeblutetes und von den Ketzern beraubtes Bistum Konstanz kann es sich auf keinen Fall leisten, . dass ein weiteres Stück der verbliebenen Macht und Pfründe wegbricht. Das Stift Seggingen ist reich; die Äbtissin gebietet über beträchtliche Einkünfte. Außerdem war sie immer eine gute Fürsprecherin am kaiserlichen Hofe. Nein, wir können es uns angesichts der laufenden Verhandlungen über den Schadensersatz, den die Reformierten für die Vertreibung der Bischöfe aus Konstanz zu zahlen haben, nicht leisten, diesen Einfluss bei Hofe zu verlieren. Wir müssen schnellstens eine gute Nachfolgerin finden. Eine, die unverbrüchlich zum rechten Glauben steht und unsere gottgefällige Sache beim Kaiser vertritt. Sonst kommt unser guter Kaiser am Ende noch auf den Gedanken, das Stift aufzulösen und die Ländereien zu vereinnahmen — was der Herr verhüten möge. Ja, wir brauchen unbedingt und möglichst sofort eine glaubensfeste Nachfolgerin.«
»Und eine, die auf ihren Bischof hört.« Die Stimme Murgels klang noch immer wie Samt.
»Was? Ja, natürlich.« Metzler war irritiert. Konnte dieser Murgel Gedanken lesen? Versonnen drehte er an seinem Ring. Er musste schnellstens eine Lösung für dieses Problem finden.
»Vielleicht lässt sich aus dieser misslichen Lage sogar noch ein Vorteil für das Bistum ziehen.« Murgels Stimme riss Metzler aus seinen Überlegungen.
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Wäre nicht möglicherweise Agatha Hegenzer von Wasser-stelz die richtige Nachfolgerin für Magdalena von Hausen?« Jakob Murgel bemühte sich sehr, seinen Bischof glauben zu
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