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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Nacht hielt Konz Jehle seine wimmernde Frau in den Armen. Immer wieder hatte sie denselben Traum. Sie stand an einen Pfahl gefesselt im Büßerhemd auf dem Scheiterhaufen, und Jakob Mur-gel hielt eine lichterloh brennende Fackel unter den Holzstoß. Magdalena von Hausen stand neben ihm und schaute zu; in ihren Augen lag ein trauriger Blick. Doch so sehr Katharina die Äbtissin auch um Hilfe anflehte, sie tat nichts. Die Flammen leckten schon an ihren Beinen, und sie schrie vor Qual. Da endlich kam die alte Nele und löschte das Feuer mit einer seltsamen, grün und blau schillernden Flüssigkeit. »Seconia hat dir noch einmal geholfen«, sagte sie danach ernst. »Jetzt bist du ihr einen Dienst schuldig.«
    Immer wieder kam dieser Traum. Vor Müdigkeit konnte sich Katharina tagsüber kaum noch auf den Beinen halten. Magdalena von Hausen, die eigentlich selbst Trost nötig gehabt hätte, versuchte mehrmals Katharina dazu zu bewegen, ihr zu erzählen, was sie so unglücklich machte. Doch das Mädchen schüttelte nur den Kopf.
    Abends, wenn sie heimkam, umsorgte sie mit aller Liebe ihren Mann und ihren Sohn. Die beiden gaben ihr jenen Halt und jene Sicherheit, die sie im Moment so nötig brauchte. Konz Jehle hatte seine Katharina noch nie so erschöpft und verzweifelt, aber auch noch nie so zärtlich erlebt. Doch jede Nacht aufs Neue kam dieser Traum, bis Katharina es nicht mehr aushielt. In zwei Tagen sollte sie mit einem Bittbrief für die Äbtissin nach Ensisheim aufbrechen, begleitet von zwei Männern, die ihr Jakob von Schönau zum Schutz mitgeben würde. Darauf hatten sich die Ratsherren um Schultheiß Marx Bürgin und der Schönauer geeinigt. Es war besser, erst jemanden zu schicken, der nicht viel zu verlieren hatte. Auf Vorschlag des Schönauers war die Wahl auf Katharina gefallen. Die junge Frau war nur allzu gerne bereit, Magdalena von Hausen diesen Dienst zu tun. Doch zuvor musste sie zu derjenigen, die ihr in ihrem Traum immer wieder geholfen hatte: zur alten Nele.
    Zu ihrer Überraschung drang kein Licht durch die Ritzen der Hütte, als Katharina bei Neles Behausung ankam. Das Bretterhäuschen lag völlig still da, als wäre es nicht mehr bewohnt. Katharina war besorgt. Das Feuer ließ Nele doch sonst nie ausgehen! Sie rüttelte an der Türe und klopfte, aber niemand antwortete. Schließlich wusste sie sich nicht anders zu helfen und brach die Türe auf. Sie bot nicht viel Widerstand. Im Zwielicht des kleinen Raumes sah sie ein Bündel Decken auf dem Bett liegen. Katharina trat näher und erkannte, dass es die alte Nele war. Sie wimmerte leise, ihr Gesicht war kreidebleich und auf der pergamentenen Haut ihrer Wangenknochen glühten die roten Flecken des Fiebers.
    Vorsichtig wickelte Katharina Nele aus den Decken. Sie fröstelte und war kaum noch bei Bewusstsein. »Mein Gott, Nele, was hast du nur? Wie lange liegst du schon da?« Katharina bekam ein schlechtes Gewissen. Es war ihr schon aufgefallen, dass die alte Frau nirgends mehr zu sehen gewesen war. Sie hatte sich aber weiter keine Gedanken darüber gemacht. Nun lag Nele hier, offenbar sterbenskrank. Und niemand hatte sich um sie gekümmert. Um sie, die so vielen mit ihrem Rat und ihren Kräutern geholfen hatte.
    Energisch krempelte Katharina die Ärmel hoch. Zuerst entfachte sie wieder die Flammen in der kleinen Feuerstelle. Dann holte sie einen Eimer frischen Wassers aus dem Ziehbrunnen vor der Hütte. Sanft entkleidete sie die alte Frau und begann, sie sorgfältig von oben bis unten abzuwaschen. Im Kessel über dem Feuer hatte inzwischen das Wasser zu kochen begonnen. Katharina suchte sich eine Hand voll Kräuter zusammen, mit denen sie einen Tee gegen Fieber und zur Stärkung aufbrühte.
    Das Waschen mit dem kühlen Wasser hatte Nele sichtlich gut getan. Sie schien inzwischen halbwegs wieder bei Bewusstsein zu sein. Schluck für Schluck flößte Katharina ihrer Freundin den stärkenden Tee ein, unendlich langsam. Nele hatte offensichtlich seit Tagen nichts mehr zu sich genommen. Sie war so schwach, dass sie anfangs kaum schlucken konnte. Außerdem wollte Katharina den leeren Magen nicht zu sehr belasten. Zu ihrer großen Erleichterung behielt Nele den Tee bei sich.
    In der kleinen Hütte war es inzwischen gemütlich und warm geworden. Nele hob schwach ihre Hand. »Ich wusste, dass du kommen würdest, Mädchen«, flüsterte sie.
    »Ruhig, Nele, mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um dich. Jetzt gehe ich erst einmal heim, besorge dir saubere Decken

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