Zeit des Lavendels (German Edition)
lassen, es handele sich bei diesem Vorschlag um einen spontanen Einfall.
»Die Hegenzerin? Nun ja, sie kommt aus einer guten Familie. Und als Dominikanerin ist sie mit Sicherheit eine treue Tochter der Kirche.«
»Ihr sagt es, gnädiger Bischof.« Murgel schnurrte fast. »Und die Hegenzer haben Einfluss. Sie würden ihn nicht zum ersten Mal zum Nutzen dieses Bistums einsetzen — ganz besonders, wenn es auch zu ihrem eigenen Vorteil ist. Eine Schwester, die Reichsfürstin ist, kann einem Geschlecht durchaus das Fortkommen sichern.«
Bischof Christoph Metzler begann, sich für die Idee Murgels zu erwärmen. Fast ärgerte es ihn, dass er nicht selbst darauf gekommen war. Die Hegenzer waren ein angesehenes und sehr einflussreiches Patriziergeschlecht aus Schaffhausen. »Die Familie ist uns seit Generationen treu ergeben«, dachte er laut. »Die Schlösser Weiß- und Schwarzwasserstelz samt den dazugehörigen Herrschaften sind ihnen vom Bistum einst für jahrelange Verdienste als Lehen überlassen worden. Ja, die Familie ist dem Bistum Konstanz verpflichtet.«
»Und Melchior, das derzeitige Familienoberhaupt, ist im Hause Habsburg zudem gut angesehen — als Waldvogt der Grafschaft Hauenstein und ständiger Gesandter des Kaisers bei der Eidgenossenschaft. Man hört auf ihn. Er könnte uns bei den Verhandlungen über die Rückkehr des Kapitels nach Konstanz sehr behilflich sein. Schließlich ist er inzwischen auch Präsident der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim.« Murgel hatte alle Mühe, Metzler seinen Triumpf nicht spüren zu lassen. Melchior Hegenzer von Wasserstelz hatte sich seinen Freunden gegenüber noch nie kleinlich gezeigt. Das galt aber auch für seine Feinde.
Nur die lange geübte Disziplin hinderte Metzler daran, einen Freudenruf auszustoßen. Dieser Murgel hatte Recht. Das war die Lösung. Aber dem Domherrn gegenüber war Vorsicht geboten. Er witterte mit Sicherheit auch einen Vorteil für sich, sonst hätte er diesen Vorschlag nicht gemacht. Es war auf jeden Fall klüger, diesem ehrgeizigen Mann einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er musterte Jakob Murgel ausdruckslos. »Nun, ich denke, da hat der Herr Euch eine gute Idee eingegeben. Doch es dürfte nicht einfach werden, den Dispens des Papstes zu bekommen, damit Agatha Hegenzer von Wasserstelz das Dominikanerinnenkloster Katharinental bei Diessenhofen, verlassen darf. Schließlich ist sie eine Braut des Herrn und hat das Gelübde der Keuschheit abgelegt. Als Äbtissin des Stiftes Seggingen würde sie der Benediktinerregel unterstehen. Und auch ein Keuschheitsgelübde gibt es in diesem weltlichen Damenstift nicht, wie Ihr wisst.« Metzler machte eine wirkungsvolle Pause. Er war gespannt auf die Antwort.
»Aber ich denke, ein Mann wie Ihr wird kaum Probleme haben, dem Papst die Dringlichkeit dieses Anliegens darzulegen. Ich könnte inzwischen dem Hegenzer die Vorteile dieser Nachfolgeregelung näher bringen. Ich bin mehr als sicher, dass er den beiderseitigen Nutzen erkennt.«
Der Bischof wurde immer misstrauischer. Aha, Murgel wollte also mit dem kaiserlichen Rat zusammen ein eigenes Süppchen kochen. Das war nun sicher. Doch das würde er zu verhindern wissen. Er musste selbst nach Ensisheim reisen. Sollte Murgel doch die undankbare Aufgabe übernehmen und Papst Paul III. die unangenehmen Nachrichten bringen. Er würde den Teufel tun. Niemand mochte die Überbringer schlechter Neuigkeiten, das ging auch Päpsten so. Außerdem wäre Murgel dann erst einmal aus dem Weg — und alle Pläne, die er in dieser Sache haben mochte, wären zerschlagen. »Liebster Domherr, diesen Einfall werde ich Euch nie vergessen.« Die Stimme Metzlers war jetzt ebenfalls seidenweich.
In Murgel läutete eine innere Alarmglocke. Es sah Metzler nicht ähnlich, dies so offen einzugestehen. Wieder verneigte er sich stumm.
»Nun, und deshalb denke ich, steht Euch, und nur Euch, die Ehre zu, unseren Heiligen Vater in Rom aufzusuchen, ihm vom Abfall der Magdalena von Hausen zu berichten und ihn um den Dispens für Agatha Hegenzer zu bitten.« Metzler musterte Murgel mit einem strahlenden Lächeln.
Der Domherr hatte das Gefühl, von einer Schlange gebissen worden zu sein. Er durfte nicht zulassen, dass ihn Metzler auf diese Weise kaltstellte und aus dem Weg räumte. In Rom war er zu weit weg, um die Dinge in seinem Sinne zu beeinflussen. »Allergnädigster Bischof, es gibt nur einen Mann, der den Heiligen Vater in angemessener Form unterrichten könnte, und
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