Zeit des Lavendels (German Edition)
ziehen und ihm direkt ihr Anliegen vorbringen. Einer schönen Frau habe Ferdinand noch nie widerstehen können. Die Frage sei nur, wie Katharina in die Nähe des Habsburgers gelangen könne. Er werde natürlich gut abgeschirmt.
Wieder wechselten einige Münzen den Besitzer. Und Katharina bekam genaue Anweisungen übermittelt, wie sie sich beim Einzug des Habsburgers in die Stadt zu verhalten habe.
Drei Tage später lehnte Katharina Stunden vor dem Eintreffen des kaiserlichen Statthalters an der beschriebenen Säule. Sie hatte sich so schön gemacht wie möglich — unter Mithilfe von Frau Reinhild, die mit einigen guten Stücken aus ihrer Kleidertruhe zu Katharinas Ausstattung beigetragen hatte. Nun sah sie aus wie eine wohlhabende, schöne Bürgerin. In ihrer Hand hielt sie die schönste Rose aus dem Garten ihrer Wirtin, den Brief mit der Bitte um eine Audienz hatte sie in den tiefen Ausschnitt des engen Mieders geschoben.
Es wurde eine lange Zeit des Wartens für Katharina. Manchmal spürte sie ihre Beine kaum noch. Nach und nach versammelten sich immer mehr Menschen am Straßenrand, die meisten im Sonntagsstaat. Den Kindern hatte man kleine Fähnchen mit dem Wappen der Habsburger in die Hand gedrückt. Es war brütend heiß. Zu Katharinas Erleichterung schoben sich immer wieder einige Wolken vor die Sonne und brachten etwas Schatten.
Plötzlich fühlte Katharina ein Zupfen an ihrem Ärmel. Ein dunkel gekleideter Mann bedeutete ihr stumm, ihm zu folgen. Danach drängte er sich wie ein Wiesel durch die Menschenmenge. Katharina hatte alle Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Schließlich stand sie ganz vorne an der Absperrung und sah ihren Führer mit einem anderen Mann sprechen, hörte einige Münzen klingeln, als sie von Hand zu Hand wanderten. Der andere drehte sich kurz zu ihr um und nickte. Er würde sie durchlassen.
Weiter vorne näherte sich offenbar der Zug des kaiserlichen Statthalters mit seinem Gefolge. Der Klang des aufbrandenden Jubels kam immer näher. Unerwartet erhielt Katharina von hinten einen Stoß, der sie mit Schwung in die Mitte der Straße beförderte — auf die Knie und vor die Hufe des Rosses von Ferdinand von Habsburg. Das Pferd wieherte und stieg. Doch der Habsburger war ein guter Reiter. Er brachte das nervöse Tier schnell wieder zur Ruhe. Sein zorniger Blick suchte die Ursache der ärgerlichen Störung — und fiel auf eine schöne junge Frau mit tiefem Ausschnitt, die ihm flehend ein Brieflein entgegenstreckte, das an einer roten Rose befestigt war. Ferdinands zornige Miene glättete sich. Das versprachen aufregende Tage zu werden in Ensisheim. In jeder Hinsicht. Er winkte seinem Adjutanten zu, der Katharina den Brief und die Rose abnahm. Dann war der Habsburger auch schon vorbei.
Mit staubigen Kleidern kam die junge Frau zurück in ihre Pension. Sofort wurde sie von allen Seiten bestürmt, zu erzählen, wie es denn gewesen sei. Danach begann das Rätselraten, was der Regent jetzt tun werde. Katharina hoffte. Sie hatte das Glitzern in den Augen des Fürsten sehr wohl gesehen.
Drei Tage später hatte die Ungewissheit ein Ende. Ein Bote des Melchior Hegenzer stand vor der Tür. Der Präsident der Regierung lasse mitteilen, dass er pünktlich am Nachmittag gegen vier Uhr Zeit für Katharina habe. Allerdings nicht mehr als eine halbe Stunde. Schließlich sei Ferdinand von Habsburg in der Stadt, und deshalb müsse er viele Geschäfte erledigen. Katharina jubelte. Jetzt war sie rund drei Wochen in Ensisheim. Aber das Warten und die Ausdauer hatten sich gelohnt. Endlich würde sie mit dem Hegenzer reden können.
Wieder musste Reinhilds Kleiderschrank herhalten, um Katharina für den Besuch bei Melchior Hegenzer von Wasser-stelz auszustatten. Er war wohl nicht so leicht zu beeindrucken und galt als sittenstrenger Mann. Also war der Ausschnitt Katharinas diesmal etwas weniger tief. Aber immer noch tief genug, um einiges erahnen zu lassen.
»Ihr seht einfach hinreißend aus«, verkündete Reinhold, als er sie sah, und wurde gleich darauf rot.
Seine Mutter schmunzelte. »Du hast bei Gott Geschmack, mein Sohn.« Jetzt war es an Katharina, zu erröten.
Der Bote, der die Nachricht am Vortag gebracht hatte, holte Katharina auch ab. Ohne große Formalitäten wurde sie direkt in das Amtszimmer von Melchior Hegenzer geführt. Auf einem Stuhl in einer dunklen Ecke des Raumes saß ein weiterer Mann. Er war nur schwer zu erkennen und sichtlich bemüht, im Hintergrund zu bleiben. Doch
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