Zeit des Lavendels (German Edition)
an Katharina vermieten, erklärte der junge Mann, nachdem er vom Ziel ihrer Reise gehört hatte. Es sei sauber und billig. Wenn sie wolle, könne sie auch an den täglichen Mahlzeiten teilnehmen. Für die Begleiter, die in Ensisheim bleiben sollten, würde sich sicher auch noch ein Plätzchen finden.
Katharina, nicht gerade eine erfahrene Reisende, war froh, dass sie eine ihrer Sorgen auf diese Weise loswurde. Sie hatte sich schon ein wenig davor gefürchtet, in einer Herberge zu übernachten. Manche dieser Einrichtungen waren von zweifelhaftem Ruf. Doch die Unterkunft bei einer Witwe war sicherlich angemessen.
Reinholds Mutter, eine rundliche Frau mit herzlichen blauen Augen, fasste sofort Zuneigung zu der jungen Reisenden, die ihr Sohn ins Haus brachte.
Schon am Morgen nach ihrer Ankunft versuchte Katharina, zu Melchior Hegenzer vorgelassen zu werden. Doch der Präsident hütete sich davor, die junge Frau zu empfangen. Er ahnte, was sie aus Seggingen nach Ensisheim geführt hatte, auch wenn sie sich weigerte, seinem Sekretär den Grund ihres Besuches zu nennen. Sie sprach nur von zwei Briefen von Hans Jakob von Schönau, die sie zu übergeben habe. Melchior Hegenzer war im Moment sehr angetan vom Verlauf, den die Ereignisse zugunsten seiner Schwester und damit seiner Familie genommen hatten. Er gedachte nicht, die Sache noch komplizierter zu machen, indem er sich anhörte, was diese Katharina zu sagen hatte. Jedenfalls nicht, ohne sich vorher mit dem Bischof von Konstanz darüber ausgetauscht zu haben. So ließ er der jungen Frau nur sagen, sie möge am nächsten Tag wiederkommen und ihre Briefe dalassen.
Als Katharina am Tag darauf wieder vor der Türe stand, wurde sie erneut nicht eingelassen. Ebenso am Tag danach.
Hegenzer wartete auf die Antwort auf seinen Brief nach Konstanz, den er sofort nach der Ankunft Katharinas geschrieben hatte.
Katharina war verzweifelt. Sie kam einfach nicht weiter. Der Herr Präsident habe Besprechungen, der Herr Präsident müsse Dokumente unterzeichnen. Sie wusste einfach nicht, wie sie durch diese Mauer kommen sollte, und wurde immer mutloser. Wenn sie wenigstens wüsste, warum der Hegenzer sie nicht vorließ. Wirtin Reinhild sah das und sprach Katharina auf ihre Sorgen an. »Mit ein wenig Geld für die richtigen Empfänger lässt sich da durchaus etwas machen«, erklärte sie schließlich resolut und stemmte die Hände in die Hüften.
Katharina schaute sie groß an.
»Mein Kind, du hast noch viel zu lernen von der Welt.« Reinhild lachte. »Lass mich nur machen.«
So wechselten am nächsten Tag einige der Münzen aus Katharinas Beutel den Besitzer. Bereits am Tag darauf überbrachte Reinhild ihrem Hausgast die Antwort. Der Hegenzer wartete in dieser Sache noch auf einen Brief von Bischof Christoph Metzler aus Konstanz. Das war nun nicht gerade eine ermutigende Neuigkeit für die junge Frau. Sie ahnte, dass etwas dahinter stecken musste, wenn der Präsident der vorderösterreichischen Regierung und der Bischof von Konstanz über ihr Anliegen miteinander korrespondierten. Doch sie hoffte, dass sie wenigstens weiterkäme, wenn der Brief des Bischofs in Ensisheim eingetroffen war. Noch immer wiederholte sie Tag für Tag ihren Gang. Noch immer wurde sie abgewiesen. Auch in der zweiten Woche.
Wieder war es das Schicksal, das ihr schließlich zu Hilfe kam. Ferdinand, der Statthalter und Bruder des Kaisers, wurde in Ensisheim erwartet. Nur wenige wussten allerdings, warum: Die Belagerung der Reformierten in Konstanz durch die spanischen Truppen seines Bruders stand unmittelbar bevor. Er wollte in der Nähe sein, wenn die Stadt fiel. Melchior Hegenzer würde sein Auge und sein Ohr werden, wenn es darum ging, dieser Stadt wieder Recht und Ordnung und den alten Glauben aufzuzwingen. Und sie würde fallen, würde wieder ein Teil werden des Heiligen Römischen Reiches, des Hauses Habsburg.
Doch das ahnte in Ensisheim fast niemand. Die ganze Stadt bereitete sich auf diesen überraschenden Besuch vor. Fahnen wurden gehisst, Blumengestecke vorbereitet, die Straßen gefegt und Häuser gestrichen, damit der Habsburger einen guten Eindruck bekam, wenn er durch das geschmückte Stadttor einzog.
Inzwischen hatte sich im Haus der Wirtsfamilie Katharinas schon eine Art konspirativer Zirkel gebildet, um zu beraten, wie die junge Frau doch noch an ihr Ziel gelangen könnte. Reinhold hatte die zündende Idee. Katharina musste beim Einzug des Königs irgendwie seine Aufmerksamkeit auf sich
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