Zeit des Lavendels (German Edition)
Katharina erkannte die Konturen sofort: Es war Ferdinand von Habsburg. Melchior Hegenzer erlöste sie aus ihrer Verwirrung, ob sie nun vor dem Statthalter des Kaisers in den Vorlanden knien sollte oder nicht, indem er sie sofort vor seinen Schreibtisch winkte. Offensichtlich wollte Ferdinand unerkannt bleiben.
Der Präsident der vorderösterreichischen Regierung machte nicht viele Worte. Das tat er nie. »Bringt vor, was ihr zu sagen habt«, fuhr er Katharina rau an.
Die junge Frau zögerte eine Weile und warf einen unsicheren Blick zu dem Mann im Schatten. Dann entschloss sie sich jedoch, einfach so zu tun, als wäre er nicht da — wobei sie den Blick des kaiserlichen Bruders ständig in ihrem Rücken spürte. Beredt schilderte sie die Verdienste, die sich Magdalena von Hausen als Äbtissin erworben hatte. Ihre gütige Art, die so vielen Menschen zum Segen gereichte. Dann das Wesen Thomas Leimers — ein Mann mit wenig Charakter und wenig Liebe, außer für sich selbst. Sie erzählte von der Wache, zu der die Menschen zusammengekommen waren, von ihrer Verehrung für die gefallene Fürstin, die trotz ihres Standes so selten an sich und so oft an andere gedacht und ihnen geholfen hatte. Bei jedem ihrer Worte war Katharina anzusehen, wie sehr ihr das Schicksal Magdalenas am Herzen lag.
Katharina legte ihre ganze Seele, alles, was sie empfand, in ihre Bittrede. Eine solche Frau dürfe einfach nicht gefangen gesetzt werden, flehte sie immer wieder. Die hohen Herren sollten doch über solch einer einmaligen Verfehlung die Verdienste nicht vergessen, die sich die Fürstin um das Stift und die ganze Gegend und damit auch um das Ansehen der Heiligen Mutter Kirche erworben habe. Außerdem würden das die Menschen von Seggingen nicht einfach so hinnehmen. Sie fürchte, es könne wohl zu Unruhen, wenn nicht gar zu Schlimmerem kommen, wenn die Strafe für Magdalena von Hausen zu hart ausfiel. Sie bitte den Präsidenten deshalb demütig, beim Statthalter des Kaisers in den Vorlanden darauf hin zu wirken, dass die frühere Äbtissin von Seggingen nicht in strengem Arrest leben müsse. Das habe sie nicht verdient.
Melchior Hegenzer hörte nur zu, gab mit keiner Regung zu erkennen, was er dachte. Hin und wieder schaute er allerdings kurz zu dem Mann in der Ecke. Als Katharina geendet hatte, blieb es erst einmal eine Weile still im Raum. Beide Männer sannen über das Gehörte nach und wogen sorgsam ab, wie sie es mit ihren eigenen Interessen in Einklang bringen konnten.
»Da haben die Menschen und die Äbtissin von Seggingen in Euch ja eine beredte Fürsprecherin gefunden.« Die Stimme des Mannes in ihrem Rücken kam so überraschend, dass Katharina erschrocken herumfuhr.
»Euer königliche Gnaden, verzeiht. Ich wollte nicht respektlos sein.« Katharina wollte vor Ferdinand niederknien, doch der Habsburger hielt sie mit einer ungeduldigen Bewegung davon ab. »Solcherlei Zeremonien können wir uns heute sparen, denke ich. Kommt her zu mir, mein Kind, und bringt den Fußschemel mit, den der Hegenzer so geflissentlich unter seinem Schreibtisch verbirgt.«
Der Regierungspräsident errötete leicht, beeilte sich aber, Katharina den Schemel zu reichen. Die junge Frau holte ihn und stellte ihn zu Füßen des Königs ab.
Die Hand mit den vielen Ringen winkte ihr huldvoll zu. »Der ist für Euch, setzt Euch.«
Verlegen kauerte sich Katharina auf den Schemel. Nun sah sie von Ferdinand nur noch die seidenumwickelten, ziemlich dicken Waden. Auch Menschen von kaiserlicher Abstammung waren also nicht perfekt. Beinahe hätte sie gelacht. Doch als sie den Kopf hob und im Halbdunkel Ferdinands Augen sah, da war ihr klar, mit diesem Mann war nicht zu spaßen.
»Jetzt erzählt mir von Euch. Wir haben so viel über die Tugenden der von Hausen gehört, von Euch wissen wir aber nichts. Warum setzt Ihr Euch so für sie ein? Diese Frau muss schon etwas Besonders sein, wenn sie die Menschen so für sich einnehmen kann, dass sich eine junge Frau wie Ihr sogar in die Höhle des Löwen wagt.«
Katharina zögerte immer noch. Sie fühlte sich unbehaglich unter dem bohrenden Blick des Fürsten.
»Erzählt schon«, wiederholte Ferdinand ungeduldig.
Also berichtete Katharina von ihrer dunklen Herkunft und darüber, dass sie alles, was aus ihr geworden war, nur der Güte dieser Frau verdankte.
»So, so.« Ferdinand schaute anerkennend zu ihr nieder. »Ich wusste nicht, dass es im niedrigen Volk derart schöne Frauen gibt wie Euch. Es wäre schade
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