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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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der Fall von Konstanz. Sie war zutiefst überzeugt davon, alles werde sich zum Guten wenden. Damit stand sie allerdings allein. Niemand sonst teilte diese Ansicht.
    Der Schönauer rief gleich am nächsten Tag nach Katharinas Rückkehr aus Ensisheim die Räte der Stadt, die Chorherren des Stiftes, die Pfarrer von Seggingen, Murg und Laufenburg zusammen. Außerdem waren die Keller der Dinghöfe des Stiftes geladen sowie die Vertreter der Zünfte — der Fischer, der Flößer und all der anderen Zünfte der Stadt. Es sollte beraten werden, was nun zu geschehen habe. Denn nach der Nachricht, die König Ferdinand Katharina mitgegeben hatte, war eines klar: Wenn sich das Schicksal der Magdalena von Hausen zum Guten wenden sollte, konnte sich niemand mehr hinter seinem Ofen verstecken. Alle mussten offen und deutlich für die ehemalige Äbtissin eintreten.
    Auch wenn manche Angst hatten, am Ende mochte sich niemand drücken. Zu groß war die Verehrung für diese Frau. Außerdem wollte keiner der Notabeln und ehrsamen Bürger als Feigling gelten. Dafür fochten sie aber umso heftiger über die Formulierung des Bittschreibens und die Zusammenstellung der Delegation, die nach Ensisheim reisen würde. Die Debatte dauerte zwei Tage und zwei Nächte. Dann war das Gnadengesuch aufgesetzt und die Mitglieder der Delegation standen fest.
    Zur Abordnung gehörte selbstredend Schultheiß Marx Bürgin, Spichwärter Hans Köhler und Konrad Besserer als der erfahrenste der drei Chorherren des Stiftes. Letzterer versprach sich von der Reise auch Aufschluss darüber, was in Ensisheim über die Nachfolge Magdalena von Hausens beschlossen worden war. Jakob Murgel weilte in dieser Sache noch immer beim Papst in Rom und hatte ihm aufgetragen, vor Ort die Dinge genau zu beobachten. Einmal jeden Monat erwartete er von Besserer einen Bericht.
    Mit nach Ensisheim fahren wollte auch einer der wohlhabendsten Männer der Stadt, der Gerbermüller. Für ihn war die Sorge um Magdalena von Hausen ebenfalls nicht die einzige Antriebsfeder. Er wollte den Aufenthalt in Ensisheim nutzen, um sich nach neuen Geschäftspartnern umzuschauen, möglicherweise sogar unter den Mitgliedern der vorderösterreichischen Regierung. Zumindest wären die Ministerialen gegen ein gewisses Entgelt mit Sicherheit bereit, ihm zu helfen, die richtigen Kontakte zu knüpfen.
    Der Leiter der Delegation hatte von vornherein festgestanden: Hans Jakob von Schönau. In ihm sahen alle den idealen Führer. Einmal hatte er große Erfahrungen darin, knifflige Gespräche zu führen und sich in höheren Kreisen zu bewegen. Außerdem stand seine Neutralität außer Frage. Als derzeitiger Verwalter des Stiftes konnte er von jeder Form von Milde, die Magdalena von Hausen gewährt wurde, nur Nachteile haben. Denn jedes Mehr an Einfluss und Mitspracherecht für die ehemalige Äbtissin bedeutete eine Einschränkung seiner Verfügungsgewalt. Außerdem war der Schönauer ein ehrlicher Mann und auch als solcher bekannt. Manche, die anders handelten, belächelten ihn zwar, doch sein Wort galt etwas bei der Regierung in Ensisheim. Wahrscheinlich würde es sogar den Ausschlag geben.
    Katharina wäre am liebsten mitgefahren. Doch der Schönauer wehrte ab. Sie habe das Ihre getan, erklärte er. Alles andere sei jetzt Männersache. Mit Bangen sah sie die fünf würdigen Herren eine Woche später gen Ensisheim aufbrechen. Fünf Monate waren inzwischen vergangen, seit Magdalena von Hausen gefangen gesetzt worden und Thomas Leimer verschwunden war.
    Für die Leute von Seggingen war es kein guter Sommer gewesen. Durch die langen Wachen vor den Toren des Schlosses hatten viele ihre Felder erst später bestellt als üblich. Ab Ende Mai hatte es dann fast unaufhörlich geregnet. Zwar war ihnen der Frost zu den Eisheiligen erspart geblieben, dafür ertrank die Saat auf den Feldern fast im Wasser. Nur spärlich brachte die Sonne mit ihrer Wärme Süße in Äpfel und Trauben. Viele der Rüben verfaulten im Boden. Milben, Pilzkrankheiten und Schädlinge gediehen prächtig und zerstörten einen weiteren Teil der Ernte. Nein, es war kein gutes Jahr für die Ländereien und Menschen, die zum Stift gehörten. Viele glaubten, dass das eine Art Strafe war für die Stadt und für den Abfall Magdalenas vom rechten Glauben. Außerdem machten die Menschen sich Sorgen um ihre Zukunft. Keiner wusste, wie es mit dem Stift weitergehen würde, und davon hingen so viele Existenzen ab. Ein Äbtissinnenwechsel war immer eine Zeit der

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