Zeit des Mondes
fielen von ihm ab. Wir sahen zum ersten Mal, dass er nicht alt war. Er sah aus wie ein junger Mann.
Mina flüsterte: „Du bist schön!“
Ich spähte hinaus über die Wildnis Richtung Haus, sah niemanden am Fenster.
„Bleib in Bewegung.“
Ich öffnete das Tor und zog ihn an der Hand. Er stützte sich auf Mina und schlurfte hinter mir her auf den Weg.
Ich schloss das Tor.
Man hörte schon den Verkehr in der Stadt, auf der nahen Crimdon Road. Die Vögel in den Gärten und auf den Dächern schmetterten ihre Lieder. Säusel erschien neben uns.
„Wir werden ihn tragen“, sagte ich.
„Ja“, sagte Mina.
Ich stand hinter ihm, und er lehnte sich in meine Arme zurück. Mina nahm seine Füße.
Wir atmeten auf, denn wir schafften es problemlos, weil er so unglaublich leicht war. Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen. Ich stellte mir vor, das sei ein Traum. Ich sagte mir, in einem Traum sei alles möglich. Ich spürte an meinen Armen die großen Wölbungen auf seinem Rücken. Wir gingen los.
Wir nahmen den hinteren Weg, bogen in einen weiteren hinteren Weg ein und eilten auf das grüne Tor des mit Brettern zugenagelten Hauses zu. Mina öffnete mit ihrem Schlüssel. Wir gingen hindurch. Wir eilten zur Tür mit der roten Schrift: GEFAHR . Mina schloss auf. Wir gingen in die Dunkelheit hinein, dann in das erste Zimmer und legten ihn auf den Boden.
Wir zitterten und keuchten. Er wimmerte vor Schmerz. Wir berührten ihn sanft.
„Hier bist du sicher“, sagte Mina.
Sie zog ihre Wolljacke aus, legte sie zusammen und ihm unter den Kopf.
„Wir werden dir noch mehr Sachen bringen, damit du es bequem hast“, sagte sie. „Wir machen dich gesund. Hast du irgendeinen Wunsch?“
Ich lächelte.
„27 und 53?“
„27 und 53“, wimmerte er.
„Ich muss heim“, sagte ich. „Papa wird bald aufwachen.“
„Ich muss auch“, sagte Mina.
Wir lächelten einander zu. Wir schauten ihn an, wie er neben uns lag.
„Wir sind bald zurück“, sagte ich.
Mina küsste seine blasse raue Wange. Sie schlang ihre Arme noch einmal um seinen Rücken. Ihre Augen leuchteten vor Verwunderung und Freude.
„Wer bist du?“, flüsterte sie.
Er zuckte zusammen vor Schmerz.
„Mein Name ist Skellig“, sagte er.
23
An diesem Morgen kam Mrs Dando kurz nach dem Frühstück vorbei. Sie war mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Schule. Sie sagte, meine Klassenkameraden würden sich freuen, wenn ich bald wieder in die Schule käme.
„Sie sagen, du seist der beste Stürmer der Schule.“
Papa zeigte ihr, was wir alles am Haus getan hatten. Wir zeigten ihr die Wildnis. Sie sagte, alles werde blitzblank sein, wenn das Baby heimkomme. Sie nahm ihren Rucksack ab und gab Papa einen kleinen knuddeligen schwarzen Bären für das Baby.
„Und das ist für dich.“ Sie lachte. „Tut mir leid!“
Es war ein Ordner mit Hausaufgaben von Rasputin und Monkey: Arbeitsblätter mit Lücken, die man füllen, und Fragen, die man beantworten musste. Auch eine Notiz von Miss Clarts: Keine richtige Hausaufgabe. Schreib eine Geschichte. Werde schnell gesund! Dann noch Blätter mit Matheaufgaben und ein Buch mit einem roten Aufkleber: „Julius und die Wildnis“. Wir schauten ihr nach, als sie wegradelte, und Papa lachte. „Der Böse kennt keine Rast, was, Junge?“, sagte er. „Ich werde die Wände streichen. Du machst mit deiner Arbeit weiter.“
Ich holte einen Kugelschreiber und ging mit den Hausaufgaben zu Mina. Sie saß mit ihrer Mutter auf der Decke unter dem Baum. Ihre Mutter las, Mina kritzelte eifrig in ein schwarzes Buch. Als sie mich dastehen sah, grinste sie und winkte mir zu, ich solle über die Mauer kommen.
Mina sah sich die Arbeitsblätter an.
Man glaubt, der Mensch st vom Affen ab.
Das ist die Theorie der E .
Diese Theorie wurde von Charles D entwickelt.
Und so ging es weiter. Mina las die Sätze laut vor. Wenn sie zu den Strichen kam, sagte sie mit leiernder Stimme „leer, leer, leer“.
Nach den ersten drei Sätzen brach sie ab und schaute mich an. „Und damit beschäftigst du dich tatsächlich jeden Tag?“
„Mina“, sagte ihre Mutter.
Mina kicherte. Sie blätterte das Buch durch. Es handelte von einem Jungen, der Wundergeschichten erzählt, die sich als wahr herausstellen.
„Ja, nicht schlecht“, sagte sie. „Aber wozu der rote Aufkleber?“
„Es ist für geübte Leser“, sagte ich. „Es hat etwas mit dem Lesealter zu
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