Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
Gesellschaft in Anspruch zu nehmen, und außerdem würde nur ein ausgemachter Dummkopf in Anwesenheit einer bezaubernden djewuschka über solche Dinge reden. Julija sah mich lange an, befremdet oder geniert.
Koljukow meldete sich als Erster zum Saunaausflug und meinte, vielleicht ergäben sich dabei neue gemeinsame geschäftliche Projekte. Auch ich sagte, na gut, wer hat es schon eilig in einer endlichen Welt. Allerdings bestand ich darauf, dass wir in meinem Wagen fuhren, denn ich wollte von dem Dorf aus direkt nach Hause fahren, eines Tages, wenn mir danach zumute war.
Wronskij beorderte Bekari ans Steuer, der, wie er sagte, erstens nüchtern und zweitens ein auf Gebirgsstraßen geschulter Fahrzeuglenker sei. Tatsächlich war mir aufgefallen, dass Bekari keinen Alkohol getrunken, sondern schweigend und ausdruckslos vor einem Glas Saft gesessen hatte. Wronskij sagte, seinen Jeep könne er später aus Petrozawodsk holen lassen. Und das Haus in Kindaszero diene ihm ohnehin als Stützpunkt, wenn er in dieser Gegend zu tun habe.
Koljukows Verhandlungspartner verabschiedeten sich höflich und erklärten, sie müssten am nächsten Morgen früh abreisen. Es blieb offen, wohin. Sie schüttelten Wronskij als Letztem die Hand, verbeugten sich höflich vor Julija und nickten Bekari zu.
Wir gingen die Uferpromenade entlang. An einer Bude konnte man mit Luftgewehren schießen, als Ziele dienten auf dem Wasser schwimmende Flaschen.
Ich packte den neben mir gehenden Wronskij, als wolle ich ihn umarmen, griff mir die Pistole, die hinten in seinem Hosenbund steckte, drehte mich um und schoss fünfmal schnell hintereinander. Vier Flaschen zersprangen klirrend. Das Geräusch der Schüsse verhallte über der breiten Bucht, ohne Echo.
Ich warf dem Budenbesitzer, der hinter seiner Theke erstarrt war, einen Geldschein hin. Er hob in Panik sein Luftgewehr, erschrak selbst über seine drohende Geste und warfsich zu Boden. Ich nahm einen der Teddybären, die als Preise ausgesetzt waren, und gab ihn Julija.
»Einer ging daneben«, brummte ich und reichte Wronskij seine Pistole.
Er starrte mich an. Dann zwang er sich zu grinsen. »Vitja, willst mir beweisen, dass du noch ganz der Alte bist. Wir könnten wirklich ins Geschäft kommen.«
Wir gaben uns die Hand. Wronskij hatte anbiedernd und schmeichlerisch geredet, doch ich wusste, dass er mich respektierte, und sei es nur aus Angst. Freundschaft hatte wenig Bedeutung. In geschäftlichen Angelegenheiten musste man auch mit Menschen zusammenarbeiten können, die einem weniger sympathisch waren. Und ich war von meinen engsten Vertrauten betrogen worden, eine bittere Lehre.
Eine Horde Motorradfahrer brauste die Otto-Ville-Kuusinen-Straße herunter, wendete am Ufer und donnerte den Abhang wieder hinauf. Die Nummernschilder waren finnisch. Auf den Lederwesten sah ich das Clubabzeichen, ein Wappenkreuz.
7
Ich war allein in der Sauna. Koljukow und Wronskij hatten es nur kurz in der Dampfstube ausgehalten, und Bekari hatte über das Ganze nur den Kopf geschüttelt. Wronskij hatte gesagt, er halte auch nicht so viel davon, in der Hitze zu schmoren. Er hatte eine Weile auf der untersten Bank gehockt, war dann schwimmen gegangen und nicht zurückgekehrt.
Koljukow wiederum hatte erklärt, er halte sich an das Prinzip, dass ein weißer Mann nicht zwischen Eisbrocken planscht. Im See könnten zudem allerlei Raubfische schwimmen, die sein Glied als delikaten Imbiss betrachten würden. Darauf hatte ich erwidert, sein Pimmel sei unter seinem Bauch doch überhaupt nicht zu sehen, außerdem würde von dem Schniepelchen ohnehin höchstens eine winzige Maräne satt. Koljukow hatte gutmütig gelacht, sich einen Eimer Wasser über den Kopf gegossen und gesagt, nun habe er die banja erprobt und für gut befunden, je länger er hier sitze, desto weniger Zeit bleibe ihm zum Saufen.
Jetzt saß ich also allein in der wohligen Hitze, begoss mich ab und zu mit Wasser und schlug mir Rücken und Beine mit einem frischen Birkenquast. In der Sauna konnte man kaum aufrecht stehen, und durch die Tür musste man fast kriechen. Das sowieso schon niedrige Gebäude war außerdem mit der Zeit immer tiefer in die Uferböschung gesackt. Die Brennnesseln, die an der Wand wuchsen, berührten die Dachrinne.
Die Gartenparzelle der Nachbarn war mit dicken, rostigen Stahlplatten umzäunt. Von der Startbahn eines deutschen Behelfsflugplatzes aus dem Krieg, hatte man mich aufgeklärt. Diese Platten fanden sich so ungefähr in
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