Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
Feiern. Das Wiedersehen mit einem alten Freund. Viktor, long time no see. Gehen wir«, sagte Wronskij.
Die Abendsonne wärmte den Hügel, der zum Onegasee abfiel, und die Uferstraße war voll von Mädchen, die sich zur Schau stellten, von jugendlichen Cliquen, die einen Gitarrenspieler umringten, und von kleinen Jungs, die noch nichts begriffen.
Der Schwips summte angenehm in meinem Kopf. Dennoch befahl ich mir, weniger zu trinken. Ich war nicht gern betrunken, schon gar nicht in Gesellschaft von Leuten, denen ich nicht hundertprozentig traute.
Verstohlen musterte ich Wronskij. Er trug einen teuren Anzug und ein korrektes Hemd ohne Krawatte, doch sein Outfit ließ ihn nicht überzeugend oder stark erscheinen, zumindest in meinen Augen nicht.
Ich hatte schon bei der Armee eine gewisse Scheu vor Arseni gehabt. Er drängte sich auf, brauchte Hilfe, kam einem zu nahe. Bei Märschen und Geländeübungen konnte er nicht mithalten und bat die anderen, seine Ausrüstung zu tragen. Vor den Theorieprüfungen erbettelte er sich Vorlesungsmitschriften und Zusammenfassungen, unterwürfig, ohne sich für seine Schwäche zu entschuldigen.
Das stand im Widerspruch zum Geist der Spezialausbildung. Wir sollten härter sein als andere, allesamt gleichermaßen unzerbrechliche Steine. Mitunter fragten wir uns, wieso Arseni nicht zu einer normalen Infanteriedivision abkommandiert wurde.
Ich entdeckte noch einen zweiten Grund für mein Misstrauen. Und leicht geniert musste ich zugeben, dass es der schwerwiegendere Grund war, obwohl es eigentlich nicht so sein durfte. Arseni Kasimirow alias Wronskij war schwul. Ich hatte es geahnt, wegen seines übertrieben obszönen Geredes über Frauen und seiner verstohlenen, zu lange verweilenden Blicke in der Sauna. Bei unserer Fete zum Ende des Kursus hatte er sich, betrunken wie er war, zu eng an seine Stubenkameraden gedrängt, und Gerasimow hatte ihn verprügelt. Ich erinnerte mich immer noch daran, wie der große Mann Arseni mit harten Schlägen traktierte und ihn trat, als er bereits am Boden lag, darauf achtend, dass er ihm Schmerzen zufügte, aber keine Knochen brach. Arseni war zusammengebrochen, ohne sich zu wehren, beinahe als hätte er die Tortur genossen.
Wir anderen hatten Gerasimow Einhalt geboten, hatten dann vereinbart, dass über den Vorfall nicht gesprochen wurde und Arseni seine Ausbildung ehrenhaft beenden konnte. Nach der Abschlussfeier am nächsten Tag hatte ich ihn nicht mehr wiedergesehen.
»Na, Vova, ich habe gehört, dass du ein ansehnliches Business betreibst«, holte Wronskij mich aus der Vergangenheit zurück.
»Ich komme zurecht«, gab ich mich bescheiden. Man durfte nie prahlen, das Geld ströme zur Tür und zu den Fenstern herein. Im Übrigen zeigte meine geschäftliche Wetterprognose auch gar keine Sturmfluten dieser Art. »Und was machst du?«
Wronskij lächelte, rückte mir wieder eine Spur zu nahe, so kam es mir jedenfalls vor. »Ich bin zum Privatsektor übergewechselt. Sicherheitsservice, internationaler Handel. Bauprojektfinanzierung. Ich war lange in Tiflis, jetzt bin ich hauptsächlich in Moskau tätig«, erklärte er. »Wir könnten unsgegenseitig von Nutzen sein. Alte Bekannte sind doch etwas anderes als das neumodische Networking.«
Ich nickte mühsam.
Wronskij sah mich an, ein Lächeln auf den dünnen Lippen. »Viktor … immer noch wachsam und vorsichtig. Und da wir gerade von Vertrauenspersonen reden, hier kommen meine Partner. Das hier ist Julija Fedorowa, meine Assistentin.«
Die Frau war jung, blond, verlegen und schön. Sie gab mir die Hand, lächelte schüchtern.
»Und Bekari … Kaladze … Bekari ist mein Fahrer und … hilft bei Verhandlungen.« Wronskijs Worte verrieten mir, dass der Mann Georgier war und nur beim Vornamen genannt wurde.
Bekari war groß und kräftig. Er hatte starke Hände, deren Finger er knacken ließ, millimeterkurzes Haar und kalte, leere Augen.
Er roch nach Gefahr.
Wir verließen das Restaurant. Wronskij schlug einen Abstecher nach Kindaszero vor, ins Haus eines Bekannten, wo es eine hervorragende Sauna gebe. Nicht weit von hier, ein kleines Dorf bei Prääsä, auf Finnisch heißt es Kintasjärvi, erklärte er, als ich sagte, der Ort sei mir unbekannt.
Heißer Dampf und samtweiches Seewasser, dort könne man Staub und Hektik der Stadt bestens abspülen. Und Frauen ließen sich auch besorgen, fügte er augenzwinkernd hinzu. Ich erwiderte, bislang hätte ich es noch nicht nötig gehabt, käufliche
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