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Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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nicht. Noch nicht mal, wenn es sich um Rubel handelt. Du brauchst nicht auf der richtigen Seite zu stehen, solange du dich nicht den falschen Leuten widersetzt«, sagte er.
    Wir starrten uns an. Wronskij verlor als Erster die Nerven.
    »Viktor, der Sommer und die Frauen sind schön, wir wollen nicht länger über ernste, langweilige Dinge reden. Nasdarowje .« Er hob sein Weinglas. »Das ist Saperavia, aus Georgien. Und Schnaps ist auch genug da, Qualitätsware. Mitbringsel aus Moskau.«
    Wir stießen an.
    Ich wusste, dass Wronskij mir Schwierigkeiten bereiten würde.
    Die Bäuerin hatte im verlassenen Nachbarhaus ein Nachtlager für mich bereitet. Im Krieg hat hier der finnische Schriftsteller Paavolainen gewohnt, sagte sie, und ich nickte scheinbar beeindruckt. Die angebliche Wohnstätte einer berühmten Persönlichkeit, wie sie in Fotoalben von Touristen dutzendweise verewigt waren. Auch ich hatte oft genug den Fremdenführer gespielt, um zu wissen, dass die Leute so etwas hören und mit gefalteten Händen seufzen wollen, als schwebte der Geist des Schriftstellers noch über einem schäbigen Bohlenhaufen oder in einer Steinruine.
    Das Zimmer war sauber und kühl, das Bett mit frisch gewaschenen weißen Laken bezogen. An der Wand, fast unter der Decke, hing ein retuschiertes Foto von einem ernsten Mann mit schwarzen Augenbrauen und einer Frau mit Kopftuch. An die Tür war der auf Stoff gedruckte Baseball-Kalender von Zalgiris Kaunas aus dem Jahr 1985 genagelt, darauf ein ausgebleichter Arvidas Sabonis im Sprung, eben dabei, einen Punkt zu erzielen.
    Ich war beinahe eingeschlafen, als das Knarren der Treppe mich aufschreckte. Wieder fluchte ich innerlich, weil ich nicht einmal eine Pistole bei mir hatte. Ich schloss die Augenund atmete tief wie ein Schlafender. Die Tür ging auf, der Ankömmling machte keinen Versuch, sich zu verstecken.
    Julija trug nur einen Slip und ein kurzes Nachthemd mit besticktem Halsausschnitt.
    »Ich mag nicht allein schlafen«, sagte sie. Ich schlug die Bettdecke zurück.
    Sie schmeckte noch besser.
    Julija wollte es und wusste, was sie tat. Ich gehorchte und war stolz, als wir fast gleichzeitig kamen.
    Julija presste den Kopf auf das Kissen. Auf ihrer Wange waren Tränen.
    »Warum bist du traurig, mein Vögelchen?«
    Sie schüttelte den Kopf und flüsterte, frag nicht.

9
    Die Sonne hatte sich für kurze Zeit versteckt. Der dunkle See lag still da und ließ dünne Nebelschwaden aufsteigen.
    Auf dem Hof wechselte die hinkende Hündin ihren Schlafplatz. Sie drehte sich um sich selbst, probierte eine Stellung aus, rollte sich dann in einer anderen zusammen, legte schließlich den Schwanz wie ein Kissen unter sich und seufzte schwer. Als sie den feindlichen Geruch wahrnahm, richtete sie ein Ohr auf und öffnete die Augen zu einem schmalen Spalt.
    Eine rotbraune Katze strich langsam über den Weg. Sie bemerkte die Hündin, plusterte den Schwanz auf, machte einen Buckel und fletschte die Zähne, eher aus Gewohnheit oder Stolz. Sie verspottete sie, ihre Hinfälligkeit und Harmlosigkeit, aber Mitleid brachte sie nicht auf. Ein Tier, eine Katze zumal, kennt dieses Gefühl nicht.
    Die Katze setzte ihren Weg fort, langsam, demonstrierte ihre Überlegenheit und Geschmeidigkeit, ihre verborgene Schnelligkeit.
    Die Hündin drehte das Ohr in eine andere Richtung. Aus dem Haus kam ein Mann, klein und stark. Er trug viele Gerüche an sich, an der Lederjacke haftete die Angst eines Tiers, das die Hündin nicht identifizieren konnte. Der Mann roch nach etwas Bösem und Unruhigem. Er ging zum Wagen. Es war ein fremdes Fahrzeug, nicht das vertraute Auto desBauern, in dem die Hündin vorn sitzen und ihre Schnauze auf das Lüftungsgitter legen durfte. Der Bauer schimpfte jedes Mal scherzhaft, wenn die Hundeschnauze Flecken an der Windschutzscheibe hinterließ.
    Die Hündin beobachtete, wie der Mann zuerst eine Tür an der Stelle öffnete, wo die Menschen immer saßen, und dann eine zweite Tür weiter hinten. Im Auto des Bauern saß dort selten jemand, denn er und seine Frau hatten keine Jungen. Darüber wunderte sich die Hündin ein wenig. Sie selbst warf fast jedes Jahr sechs oder sieben kleine, jedes Mal anders gefärbte Welpen, pflegte und leckte und nährte sie, und dann verschwanden sie immer. Der Bauer brachte sie irgendwohin.
    Wenn die Hündin ein Mensch gewesen wäre, hätte sie gesagt, sie sei traurig und wehmütig gestimmt. So aber lauschte sie nur einem schwachen Erinnerungsfetzen nach, an den Nabel

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