Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
Vom Netzwerk:
respektvoll ernste Miene auf. Wahrscheinlich malte er sich bereits aus, dass man ihn belobigen und zum dritten Kulturattaché in einem wärmeren Land befördern würde.
    »Sprich. Zeit gibt es genug auf der Welt«, versicherte Taxi und knöpfte seine Lederjacke auf. Darunter trug er ein Hemd, das selbst auf Hawaii zu bunt gewesen wäre.
    Ich wiederholte die Geschichte, die ich Onkel erzählt hatte, allerdings etwas langsamer und vereinfacht. Als Taxi eifrig einen kleinen Kalender aus der Tasche zog, reichte ich ihm einen Zettel, auf den ich die Namen geschrieben hatte.
    » Charascho «, sagte Taxi, faltete das Papier sorgfältig zusammen und legte es in seinen Taschenkalender. »Ich mache mich sofort auf den Weg.«
    Erkki stand in einer Ecke des Schulhofs, an die rote Wand des alten Transformatorenhäuschens gelehnt. Dorthin hatte er sich gleich zu Beginn der Pause verdrückt, in die Lücke zwischen dem kleinen Backsteingebäude und dem Bretterzaun.
    Die Pause ist zu lang, dachte Erkki. Er sah auf die Uhr, die Kärppä ihm geschenkt hatte.
    Scheiße, keiner hat eine Uhr, die Zeit kann man auf dem Handy ablesen. Aber als die Schule anfing, hatte Viktor gesagt, ein Mann braucht eine Uhr, ein Handy kriegst du später. Er hatte in seinen Schubladen gekramt und ein schweres, von Hand aufzuziehendes hässliches Trumm hervorgeholt, auf dessen schwarzem Zifferblatt sich das Bild eines Bombers befand. Angeblich eine Pilotenuhr. Erkki schnaubte. Das Lederarmband stank, und das blöde Ding war in Russland gemacht.
    Sowjet, Russki, Iwan, Slobo … Erkkis Kopf war angefüllt mit den abfälligen Bezeichnungen, die seine Quälgeister ihm nachriefen.
    Veeti stand plötzlich an der Ecke des Transformatorenhäuschens, als hätte Erkki ihn heraufbeschworen.
    »Guckt mal, Sergej holt sich einen runter!«, schrie er.
    »Der Russki wichst«, stimmte Edu ein.
    Erkki senkte den Blick. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Veeti und Edu zwei weitere Jungen aus seiner Klasse mitgebracht hatten. Und Jasmin. Sie saß im Unterricht neben Erkki, so nah, dass er wusste, wie sie roch und welche Stifte sie in ihrem Federmäppchen hatte.
    »Der wichst sich keinen ab«, widersprach Jasmin, und Erkki seufzte leise, vor Dankbarkeit und Bewunderung. »Dem steht er noch nicht. Und Haare hat er da unten auch keine. Ein richtiges Baby«, verkündete sie mit der Selbstsicherheit, die manche frühreifen Mädchen entwickeln. »Mein Vati sagt, die Slobos stinken. Oma und Opa hatten früher einen Lada, und Vati sagt, das ganze Auto hat nach Russen gestunken.«
    »Lada-Sergej«, krähte Veeti. »Ist das ein Lada da auf deinem Hemd? Das ist ein total beknacktes Teil, voll krank. Und es stiiinkt …«
    Erkki schluckte die Tränen herunter. Er wusste, dass es sinnlos war, zu protestieren, auf dem Hemd seien das Mercedes-Symbol und ein alter Rennwagen. Ebenso dumm wäre es, zu sagen, dass auch Marja und Viktor das Hemd wegwerfen oder als Putzlumpen verwenden wollten, weil es nicht einmal mehr für die Kleidersammlung taugte. Und am schlimmsten wäre es, zu erklären, dass dieses Hemd das letzte Kleidungsstück war, das seine Mutter ihm gekauft hatte. Das einzige, das noch passte und ganz war.
    Das konnte Erkki keinem erzählen. Niemand würde es verstehen.
    Erkki wischte sich über das Gesicht, vergewisserte sich, dass keine Tränen zu sehen waren. Dann warf er sich auf Veeti, schlug ihn mit der Faust zu Boden und stieß ihm die Stirn gegen die Schläfe. Er wollte seinem Gegner gerade einen Fußtritt versetzen, als ihn von hinten jemand packte und festhielt.
    »Was geht hier vor?«, fragte ein junger Lehrer. Er trug die Weste der Pausenaufsicht und hatte eine allzu männliche Stimme. »Aha, Sergej spielt mal wieder den wilden Mann. Das gibt eine Verwarnung.«

22
    Wronskij drückte auf den Summer und klopfte, kam aber sofort herein, ohne auf Antwort zu warten. Er wirkte nicht unbedingt eilig, sondern eher unruhig oder erschrocken.
    Ich warf den Stift auf den Schreibtisch und zog die oberste Schublade so weit auf, dass die Pistole nur wenige Zentimeter von meiner Hand entfernt war.
    »Hör mal, Viktor, ich hatte etwas in deinem Wagen. Wo ist er?«
    »Willkommen in Finnland. Bist du gut über die Grenze gekommen? Wie war das Wetter?«, schindete ich Zeit heraus. Gleichzeitig überlegte ich, was zum Teufel ich unwissentlich über die Grenze gebracht hatte. Drogen? Geld? Waffen?
    »Ich hatte etwas in deinem Wagen. Wo ist er?«, wiederholte Wronskij. Seine Angst grenzte

Weitere Kostenlose Bücher