Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
vernichten.
»Schmeiß sie ins Meer. Da ist Platz genug«, zitierte mein Bruder die sowjetische Umweltdoktrin. Ich hatte selbst bereits an diese Art der Endlagerung gedacht. Alternativ konnte ich die Röhren auch in das frisch gegossene Fundament eines Gebäudes werfen. Beton hält ewig, dachte ich und wusste gleichzeitig, dass die Redewendung irgendwie anders lautete.
Aber wo sollte ich die Dinger zwischenlagern? In einer Schublade? Im Safe meiner Firma? Unter der Kartoffelkiste im Erdkeller?
Ich ging nach drinnen, ins Kinderzimmer. Anna hatte gerade ein neues Bett bekommen. Sie hatte es selbst ausgesucht, die kleine Krabbe, hatte auf einem Metallbett bestanden, dessen Messingbeine säulenartig aufragten wie in der Kammer einer modernen Prinzessin. Ich drehte den Knauf am oberen Ende ab und ließ die Metallröhren eine nach der anderen in den hohlen Bettpfosten fallen.
Marja würde sich herzlich bedanken, wenn sie davon wüsste.
Der weiße Škoda fuhr durch die schmale Gasse zwischen den Holzhäusern. Deren Bewohner hatten sich gegen die Asphaltierung der Straße gewehrt, weil sie fürchteten, die Autofahrer würden schneller vorbeirasen, wenn sie den von den Pfützen gegrabenen Löchern nicht mehr auszuweichen brauchten. Doch das Straßenbauamt und der zuständige Architekt hatten ihren Willen und ihren Plan durchgesetzt. Die Bordsteinkanten waren erhöht, die Fahrbahn war mitAsphalt überzogen worden. Im Abstand von einigen Metern hatte man Bremsschwellen angebracht. An einer von ihnen blieb der Škoda beinahe mit der Stoßstange hängen.
Der Wagen hielt vor dem alten Gebäude des Sportvereins. Der Fahrer und der Beifahrer stiegen aus, ließen den Motor jedoch laufen. Beide waren mittelgroß und wirkten fit, nicht nur dank ihrer Trainingsanzüge.
»Schichtwechsel. Ihr könnt jetzt Kaffee trinken«, sagte der einen Zentimeter Größere der beiden zu den Männern, die sich dem Škoda näherten. Dieses Zweiergespann trug blaugraue Overalls und Jacken in der gleichen Farbe, auf deren Brust das Wappen der Stadt prangte.
»Die Kamera ist am Pfosten befestigt und schon eingestellt. Und die Leiter lehnt am Mast«, sagte einer der beiden. »Wir haben die Lampe ein halbes Dutzend mal ab- und wieder angeschraubt und ein paar lose Kabel herausstehen lassen. Wir kommen dann zurück und arbeiten weiter. Joggt ein paar Stunden um den Block. Hier ist der Auslöser für die Kamera.« Er hielt der Ablösung ein kleines schwarzes Ding hin, das aussah wie die Fernbedienung eines Autos.
»Habt ihr irgendwas Besonderes gesehen?«
»Der Bruder war da, in einer langen Gummischürze wie ein Metzger. Irgendwas haben sie im Carport gemacht. Was genau, konnten wir nicht sehen, und die Kamera hat es sicher auch nicht erfasst. Jedenfalls haben sie bestimmt niemanden umgebracht oder dergleichen. Auf der Schürze waren keine Spritzer.«
Der Stimme des Mannes war nicht zu entnehmen, ob er sich darüber ärgerte oder nur flapsig sein wollte.
»Aber der große Bruder ist schon wieder weg. Und Viktor hockt in seinem Bau.«
23
Zwei Tage später rief Ruuskanen an.
»Verdammt nochmal, Viktor! Was für eine heiße Karre hast du mir da angedreht? Einen ehrbaren Geschäftsmann so zu betrügen …«
»Halt mal die Luft an, Mauri«, unterbrach ich und erinnerte ihn daran, dass es auch an der Tätigkeit seiner eigenen Firmen allerhand auszusetzen gab. Eine ganze Reihe Verkaufsabschlüsse war vor Gericht erörtert worden, und Mauri Ruuskanen war nicht etwa der Kläger gewesen.
»Ja aber, ja aber …« Ruuskanen war immer noch so aufgebracht, dass er keinen vernünftigen Satz hervorbrachte. Ich kam zu dem Schluss, dass sein Schock in erster Linie dem Verdacht geschuldet war, dass ein Kunde ihn überlistet und es irgendwie geschafft hatte, ihn übers Ohr zu hauen.
»Beruhige dich. Erzähl mir ganz langsam und in deinen eigenen Worten, was passiert ist.«
Ruuskanen keuchte ein paar Mal, dann ging sein Atem wieder gleichmäßig und er begann zu erklären. Die Geschichte wirkte anfangs verworren, doch nach und nach begriff ich. In die Werkstatt von Öko-Auto-Ruuskanen war eingebrochen worden, eine Räuberbande hatte sich im Dunkel der Nacht mit einer Brechstange Einlass verschafft, dabei die teuren Aluminiumlamellen am Tor kaputt gemacht, und auch die Elektromotoren des Hebemechanismus waren beschädigt …
Wieder unterbrach ich Ruuskanen und wies ihn darauf hin, dass die Sommernächte selbst auf der Höhe von Tuusula allenfalls halbdunkel
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