Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
unverkennbar an Verzweiflung.
Ich erkundigte mich verwundert, was denn aus dem Süßholzgeraspel von Vernetzung und für beide Seiten nützlicher Geschäftspartnerschaft geworden sei. Wronskij trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf den Hosenbeinen.
»Wo ist dein Auto?« Er gab mir keine Erklärung, seine Stimme wurde nahezu schrill.
»Verkauft.«
»Was?«, schrie Wronskij auf.
»Ich habe es verkauft. Das Auto«, erklärte ich langsam, als hätte ich es mit einem begriffsstutzigen Schüler zu tun.
»Ist das wahr?«
»Ich fahre jetzt einen Citroën. Du hast ihn draußen sicher gesehen.«
»Ach, der metallicbraune? Irgendein Franzose. Ist es wirklich wahr, dass du den Mercedes verkauft hast?«
Ich suchte das Papier heraus und zeigte es ihm. Eine Kopie des Kraftfahrzeugscheins hatte ich nicht, aber ich hatte mir von Ruuskanen eine Abtretungsbescheinigung unterschreiben lassen. Der Autohändler pfuschte mitunter beim Export, und ich wollte sicherstellen, dass meine Versicherungspflicht erlosch und Strafgebühren für Falschparken oder Ähnliches nicht an meine Adresse gingen. Wronskij griff nach dem Papier. Ich verdeckte den Namen des Käufers mit dem Daumen.
»Was war da drin?«, fragte ich.
»Eine Ware.«
»Wo hattest du sie versteckt?«
Wronskij gab keine Antwort. »An wen hast du den Wagen verkauft?«, fiepte er.
»An einen Zwischenhändler. Was war in dem Wagen?«
»Na, diese eine kleine Ware. Im Erste-Hilfe-Kasten.« Trotz seiner Bedrängnis lächelte Wronskij über seine List. »Bekari hat sie da versteckt, als du anderweitig beschäftigt warst.« Er ließ die Überschreibungsurkunde los.
Das Herz und alle anderen inneren Organe schienen mir in die Kehle steigen zu wollen. Ich zwang mich, unbeeindruckt dreinzublicken. »Aha. Und du hast es nicht für nötig gehalten, mir davon zu erzählen.«
»Es war besser, dass du nichts davon wusstest«, quiekte Wronskij wie ein Katzenjunges, das man zu fest drückt. Erdrehte sich um und ging, überlegte bereits, wie er das Auto aufspüren könnte, wusste, dass er von mir nichts erfahren würde.
Ich wiederum wusste, dass ich unvernünftig war. Verrückt. Und das war mir fremd. Ich hätte mich um meine Sicherheit sorgen und herausfinden müssen, in was ich da hineingezogen worden war, doch ich dachte nur an Julija. War sie in die Aktion eingeweiht gewesen, hatte sie mich betrogen und irregeführt?
Ich wollte mir nicht an dem Citroën zu schaffen machen, solange er vor der Halle stand, sondern fuhr nach Hause. Erkkis Fahrrad lag unter dem Carport. Ich hob es auf und drückte das verbogene Schutzblech gerade, damit es nicht an den Reifen scheuerte. Auch Annas Rad mit den kleinen Stützrädern stand in der Ecke und wartete demütig darauf, dass seine Besitzerin groß genug war, es auszuprobieren.
Ich fuhr den Citroën nur halb hinein, damit der Kofferraum sich öffnen ließ. Der Erste-Hilfe-Koffer, den ich aus dem Mercedes mitgenommen hatte, lag dort hinten, in einer Einbuchtung der Seitenverkleidung. Ich befühlte ihn zuerst von außen, spürte durch die Plastikhülle etwas Hartes, ein wenig Schweres. Ich öffnete den Verschluss.
Es waren vier Metallröhren, mit Plastikklemmen verbunden. Die Röhren waren glatt, etwas länger und dicker als ein Finger, erinnerten an die Münzenbehälter von Markthändlern oder Schaffnern.
Ich konnte das Metall nicht identifizieren und wusste nicht, ob die Hülse oder der Inhalt schwerer war. Brutto und Netto und Tara, mir schossen Wörter durch den Kopf, die ich irgendwann einmal gelernt hatte. Steuerbord und Backbord. Oder war es Backerbord? Liespfund, Zentner, Tonne.
Ich war kein Bootsfahrer und kein Schauermann, aber meine Gedanken wollten um etwas anderes kreisen als um den unheimlichen Gegenstand in meiner Hand.
Die Enden der Röhren waren verstöpselt. Ich strich mit dem Finger über die glatte, kaum zu erkennende Fuge, probierte aber nicht aus, ob die Verschlüsse sich einfach herausschieben ließen oder ein Gewinde hatten.
Vorsichtig stellte ich das Gebilde senkrecht an die Wand.
Alexej kam innerhalb von zehn Minuten.
»Da siehst du es, Ingenieurswissen ist immer wieder gefragt«, machte er sich wichtig. Er hielt einen kleinen Holzkoffer in der Hand. »Na, dann wollen wir mal sehen, was wir hier haben«, sagte er wie ein Arzt bei der Morgenvisite: Hatten wir heute schon Stuhlgang?
Alexej drehte die Röhren in der Hand.
»Teufel auch. Wo hast du die her?«
»Sind völlig überraschend und ungebeten
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