Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
Fragen, bitte.«
Marja kam früh von der Arbeit, ging schnüffelnd durchs Haus, fing den Geruch eines fremden Rasierwassers auf. »Du hattest wieder einen deiner Geschäftsfreunde zu Besuch«,sagte sie tadelnd und fügte hinzu, sie gehe gleich aus. Mit ein paar Freundinnen schwofen, ich hätte doch versprochen, auf die Kinder aufzupassen. Damit verschwand sie im Badezimmer.
Die Dusche rauschte. Marjas Handy lag neben ihrem Schlüsselbund auf dem Küchentisch. Das flache Gerät glitzerte auffordernd in der Sonne. Ich schlich zum Tisch, lauschte noch einmal, ob Marja auch bestimmt nicht kam. Dann öffnete ich die Tastensperre und sah mir die eingegangenen und getätigten Anrufe an. Unbekannte Ziffernreihen, Durchwahlnummern der städtischen Sozialbehörde, Oksana … und dann ein gewisser ›Ari‹.
Ich ging die Textmitteilungen durch. Sehnsucht … komm bald, hatte Ari vor einer Stunde geschrieben. Derselbe Ari hatte mindestens einmal täglich gesimst. Er bedankte sich für die Gesellschaft beim Mittagessen, für den schönen Abend, beklagte sich kurz über häusliche Probleme, aber genug davon, Schatz, und vier Ausrufezeichen. Ari schimpfte auch über einen ungenannten Kollegen, der sich bei einer Sitzung idiotisch benommen habe.
Ich mochte Leute nicht, die drei oder gar vier Ausrufezeichen verwendeten.
Ich mochte die SMS nicht.
Und schon gar nicht mochte ich es, dass Marja per Telefon mit irgendeinem Ari herumscharwenzelte.
Ich mochte die Vorstellung nicht, dass sie sich mit einem Mann traf.
Die Kränkung mischte sich mit Schuldgefühl. Ich fühlte mich schuldig, weil ich nicht ordentlich, feurig und von Herzen eifersüchtig war, sondern allenfalls düster wie ein grauer Oktobertag. Außerdem hatte ich ein schlechtes Gewissen, ich wusste, dass ich selbst auch etwas Falsches tat. Vor einerStunde hatte ich mich mit der Frage gequält, warum Julija so selten von sich hören ließ.
Ich hatte Julija bombardiert, sie angerufen und ihr eine SMS nach der anderen geschickt. Sie hatte geantwortet, sie sei gerade in einer sehr schwierigen Situation, ob ich, ihr Liebster, nicht abwarten könne, bald würde sie mir alles erklären. Auf keinen Fall dürfe ich sie anrufen, denn damit brächte ich sie in Gefahr.
Meine Sehnsucht nach Julija war absurd, aber so überwältigend, dass ich sie beinahe genoss. Und nun verdarb mir Marja mit ihrem Ari meine masochistische Qual.
Dennoch wusste ich, was ich tun würde, sobald Marja das Haus verlassen hatte. Ich würde Stepan anrufen, einen zuverlässigen Mann, den ich gelegentlich als Kurier einsetzte, und ihm auftragen, am Hauptbahnhof auf den Vorortzug zu warten. Er sollte beobachten, mit wem Marja sich traf und was sie tat. Ich würde Stepan schwören lassen, dass er den Mund hielt, über diesen Auftrag durfte er nur mit mir sprechen.
Ich beschloss, ein lasterhafter Vater zu sein, und versprach den Kindern Pizza zum Abendessen. Anna sagte, sie wolle Schinken-Champion. Sergej überlegte lange, als ginge es um das Menü in einem Drei-Sterne-Restaurant, und entschied sich dann für die Kombination Salami-Ananas-Blauschimmelkäse. Matti Kiuru schaute vorbei, er sagte, er habe Abendurlaub. Auch er ließ sich zu einer Pizza überreden, als ich erklärte, ich würde mich über die Gesellschaft eines erwachsenen Mannes freuen.
Ich fügte hinzu, ich hätte momentan die Nase voll von zänkischen Frauen. Dann erkundigte ich mich nach dem Fortschritt der Renovierungsarbeiten in dem griechischangehauchten Kabuff. Matti wirkte genervt, er sagte, die Dichtungsarbeiten seien fertig, am Wochenende werde er fliesen. Nur müsse die Lady des Hauses sich zuerst entscheiden, welche Farbtöne ihr genehm seien. Auf jeden Fall würde er es mit einem Mosaikpuzzle aus zentimeterkleinen Steinchen zu tun haben.
Ich verbiss mir ein Grinsen, bestellte telefonisch die Pizzas und sagte, ich würde sie abholen.
Matti begleitete mich. Die Pizzeria war nur einige Hundert Meter von unserem Haus entfernt, am Fuß der Bahnüberführung, neben dem Kiosk. Sie wurde von einem langnasigen Kurden geführt. Er begrüßte mich namentlich und bat mich, ein paar Minuten zu warten, die Pizzas seien noch im Ofen. Ich sagte, inzwischen könne ich ja schon bezahlen. Der Wirt gab mir Rabatt und forderte mich auf, gratis eine große Flasche Limonade mitzunehmen.
Im Hinterzimmer knetete ein jüngerer, untersetzter Bursche Pizzateig. Ein kleiner älterer Mann, der für die Auslieferung zuständig war, kam mit betrübter Miene
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