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Zeit für Eisblumen

Zeit für Eisblumen

Titel: Zeit für Eisblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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konnte ich sowieso nicht leiden. Aber es war dieses Lässige, betont Gleichgültige, das mich in den Bann zog. Die anderen Musiker redeten miteinander und die Aufregung war ihnen deutlich anzumerken, nur er stand alleine da, mit seinem Geigenkasten in der Hand, und musterte das hektische Treiben um ihn herum mit unbeteiligter Miene. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er wohl im Bett genauso unbeteiligt und cool war, wie er sich hier gab.
    Sein Blick traf meinen und er lächelte mich herausfordernd an.
    Schnell schaute ich weg. Doch es war zu spät.
    Der Kellner stellte einen weiteren Teller Suppe vor mich. Verwundert blickte ich ihn an. Ich hatte einen Meeresfrüchtesalat bestellt. Das hier war eine Art Eintopf.
    „Ich wollte ein fresh seafood chowder.“
    „Hier ist es.“ Der Kellner feixte und wünschte mir einen guten Appetit.
    Ich sackte in mich zusammen. Erst das Desaster mit dem Mietwagen, dann die erfolglose Suche nach unserem Hotel, obwohl wir direkt davor standen, und nun aufgrund meiner mangelnden Englischkenntnisse Suppe – als Vor- und als Hauptspeise. Mein Irlandtrip begann alles andere als Erfolg versprechend.
    Zögernd tauchte ich den Löffel in die bräunliche Flüssigkeit und führte ihn zum Mund. Nicht besonders lecker. Doch ich hatte zu großen Hunger, um den Eintopf stehen zu lassen, und tunkte ihn in Rekordtempo mit zwei Scheiben Vollkornbrot auf. Die pampige Masse lag bleischwer im Magen.
    Um wenigstens ein paar der angefutterten Kalorien zu verbrennen, beschloss ich, noch einige Minuten in der Galwayer Innenstadt herumzuschlendern. Doch bereits nach wenigen Metern blieb ich vor einem Pub, aus dem laute Livemusik scholl, stehen. Durch die Fenster, die mit rotem Klebeband in verschiedene Karos unterteilt und mit weihnachtlichen Motiven besprüht waren, konnte ich die Band sehen. Ein junges Mädchen mit langen Dreadlocks und einem Bass und ein tätowierter Trommler spielten „Seven Nation Army“ von The White Stripes. Neugierig betrat ich den Pub und setzte mich mit einem Glas Guinness in eine etwas abseits gelegene Ecke des Raumes, die von einer Tiffany-Lampe nur spärlich beleuchtet wurde. Niemand nahm Notiz von mir. Alle saßen oder standen zu zweit oder in kleinen Gruppen herum, lachten und redeten miteinander. Einige Mädchen tanzten. Inmitten dieses bewegten Meeres aus glücklichen Gesichtern musste ich wie eine freudlose Insel wirken. Zu allem Überfluss stoppte der wummernde Bass von „Seven Nation Army“ auf einmal abrupt, und zarte, wehmütige Klänge schwebten zu mir herüber. „Here with me“ von Dido. Ein Lied, das mich an Lagerfeuer an den Isarauen und Sams Sommersprossen erinnerte und daran, wie gerne ich mich an ihn lehnen, von vorne anfangen und den ganzen Mist der letzten Zeit einfach vergessen würde. Er stand vor mir, ich schob eine Haarsträhne aus der Stirn, atmete den herben Zitrusduft seines Rasierwassers ein und blickte in seine Augen, die nicht gesprenkelt und meliert wie meine waren, sondern tiefblau und klar wie Bergseen, mit einem türkisen Rand um die Pupille. Doch langes, blondgelocktes Haar und ein rotgeschminkter Mund schoben sich vor Sams lächelndes Gesicht. Ich wich zurück und das sehnsuchtsvolle Ziehen in meinem Inneren verschwand. Ach Scheiße! Ich hatte es verbockt.

    Ich kippte mein Guinness hinunter und verließ den Pub. Zurück am Hotel blickte ich von der Straße aus in das erleuchtete Zimmer des Frühstücksraums. Milla und Bennett saßen am Fenster und unterhielten sich. Zwischen ihnen standen zwei Gläser und eine Flasche Rotwein. Ich hatte wenig Lust, den beiden Gesellschaft zu leisten, und so schlich ich mich so leise wie möglich über die Treppe nach oben. Dabei fiel mir auf, dass alle Zimmer im Hotel eigene Namen hatten. Im ersten Stock waren sie nach Entdeckern wie Christoph Columbus benannt worden, im zweiten nach berühmten Dichtern à la Shakespeare und im dritten nach Figuren aus der Camelotsage. Milla, Paul und ich nächtigten im King Arthurs Room.
    Paul schlief fest in der Bettritze zwischen Millas und meiner Seite, da unser Zimmer zu winzig war, um ein Babybett aufzustellen. Leise ging ich ins Bad, zog mir einen Pyjama an und kroch zu ihm unter die Bettdecke. Von der Straße drangen hämmernde Technobeats zu mir herauf. Ich war überzeugt, die ganze Nacht kein Auge zu machen zu können und beschloss, wollige Schafe über niedrige Steinmauern springen zu lassen, doch bereits vor dem zehnten Shawn war ich in einen tiefen,

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