Zeit für Eisblumen
aussehenden Grün das Auge blendeten.
Während der gesamten Fahrt kritzelte Milla fleißig in ein lilafarbenes Notizbuch mit silbernen Punkten.
„Was machst du?“, fragte ich sie.
„Ich trete in die Fußstapfen von Heinrich Böll und führe Tagebuch. Wie teuer waren die beiden Bustickets nach Galway?“ Sie sah über den Rand ihrer Lesebrille zu mir herüber.
„So detailliert notierst du dir alles?“
„Nein. Ich kann es aber nicht einsehen, dass wir der Autovermietung über 200 Euro für einen Leihwagen überwiesen haben und nun auch noch die öffentlichen Verkehrsmittel bezahlen müssen.“
„Ich auch nicht. Aber was willst du dagegen machen? Die Autovermietung verklagen, weil ich meinen Führerschein in Deutschland gelassen habe?“
„Nein. Aber ich habe mir etwas anderes überlegt. Also: Wie viel haben die Bustickets gekostet?“
„Jeweils 16 Euro.“
„32 Euro“, notierte Milla auf einer leeren Seite. „Gut. Hier werden wir alle entstandenen Unkosten aufschreiben und uns das Geld an anderer Stelle zurückholen.“
Als wir den Hauptbahnhof in Galway erreichten, war es schon dunkel und Paul in meinen Armen eingeschlafen. Das 7 Cross Boutique Townhouse im Zentrum der Stadt hatte im Internet mit der Bezeichnung „Galways kleinstes Hotel“ geworben. Es musste wahrhaftig winzig sein, denn obwohl der Taxifahrer genau an der angegebenen Adresse anhielt, fanden Milla und ich es zunächst nicht. Ein wenig hilflos ließen wir unseren Blick über die Restaurants, Bars und Geschäfte gleiten, deren Fassaden im ersten Stock mit glitzernden Tannenbäumen geschmückt waren, doch ein Hotel konnten wir nicht ausmachen.
„Bist du sicher, dass du dir die richtige Straße aufgeschrieben hast?“, fragte Milla.
„Ganz sicher. Aber ich werde in einen der Pubs gehen und nachfragen.“
Das Busker Brownes, in dem ich mir erhoffte, Hilfe zu finden, war eine gemütliche Kneipe mit dunkelbraunen Ledermöbeln, runden Tischen und einer schummrigen Beleuchtung. Ich trat an die Theke und fragte einen rundlichen Kellner mit schwarzen Haaren und freundlichem Gesicht nach dem Hotel. Sein Mund verzog sich zu einem amüsierten Lächeln.
„Fast niemand findet es auf Anhieb. Ich habe Bennett schon öfter gesagt, dass er seine Beschilderung verbessern muss.“
Er führte mich nach draußen und zeigte auf eine braune Holztür, die eingequetscht zwischen dem Busker Brownes und einem Souvenirgeschäft lag. „Hier ist es.“
„Das ist doch kein Hotel. Die Fassade des Hauses misst ja kaum zwei Meter“, sagte ich zweifelnd.
„Nach oben hin wird es breiter.“
Tatsächlich! Der erste bis dritte Stock lag über dem Souvenirgeschäft und auch ein winziges Schild neben der Tür bewies eindeutig, dass wir an unserem Ziel angekommen waren. Erleichtert verabschiedete ich mich von dem Kellner und klopfte an das Fenster des Taxis, in dem meine Mutter mit Paul auf dem Schoß saß und apathisch vor sich hinstarrte.
Ihre Laune besserte sich aber schlagartig, als wir an der Tür des Hotels klingelten, und uns ein gut aussehender Mann älteren Semesters mit grau melierten Haaren und stahlblauen Augen öffnete. Er stellte sich als Bennett vor.
„Come in, come in“, forderte er uns mit einer einladenden Handbewegung auf und Milla und ich folgten ihm über die engen Treppen vorbei an einem riesigen Weihnachtsmann und einer Art-Dekoschaufensterpuppe mit Spiegelmosaiksteinen nach oben. Als wir den ersten Treppenabsatz passierten, zwitscherte etwas und Milla und ich blickten uns irritiert um. In einer Fensternische sahen wir einen Käfig, mit einem kleinen roten Vogel darin.
„Er ist nicht echt“, sagte Bennett und grinste.
Unser Zimmer lag im dritten Stock und war mit seinen cremefarbenen Möbeln und dem stoffbezogenen Betthintergrund wunderschön eingerichtet, aber so klein, dass Milla, Paul und ich Probleme hatten, nebeneinanderzustehen.
„Kommt doch später herunter und trinkt ein Glas Wein mit mir! Ich erzähle euch ein wenig von der bewegten Geschichte des Hotels“, bot Bennett uns an. „Dieses Haus hat einiges erlebt. Es war erst ein Wohnhaus, dann ein Nonnenkloster und schließlich ein Bordell.“ Seine Augen ruhten wohlwollend auf Millas schlanken Beinen.
Sie nickte entzückt. „Das hört sich interessant an.“
„Mal sehen“, sagte ich.
Er ließ uns allein.
Ich legte mich mit Paul aufs Bett und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Endlich angekommen! Zufrieden kuschelte ich mich an meinen Sohn, der
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