Zeit für Plan B
Mann. Davon habe ich ja gar nichts erfahren.«
»Wir haben die Medien noch nicht verständigt.«
»Arschloch. Alison hätte es mir erzählen können.«
»Ich denke, sie hat andere Dinge im Kopf«, sagte ich, obwohl es mir einen leisen Stich gab, dass Alison es nicht erwähnt hatte. Wir saßen alle da und machten uns Sorgen um Jack. Konnte denn niemand auch nur für eine Minute seine Besorgnis über meinen bedauernswerten Zustand zum Ausdruck bringen? Selbst wenn es um persönliche Krisen ging, wurde Jack immer noch die größte Aufmerksamkeit zuteil. »Hör zu, Jack, meine Ehe ist eben in die Brüche gegangen, und du hast ein Drogenproblem, das landesweit die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht. Wenn es je eine Situation gab, die nach einer Spritztour förmlich geschrien hat, dann diese.«
Er atmete deutlich hörbar ins Telefon aus. »Es ist sehr verlockend, Ben, aber ich stehe kurz vor der Vorproduktion zu diesem Film …«
»Scheiß drauf, Jack. Du brauchst diese Pause. Du hast ein Problem.«
»Es ist kein Problem«, verteidigte sich Jack. »Ich hab’s ein bisschen außer Kontrolle geraten lassen, ich geb’s zu. Aber dieser Unfall hat bei mir wieder für Durchblick gesorgt. Ich bin los von dem Zeug.«
»Einfach so?«, fragte ich skeptisch.
»Einfach so«, sagte er. »Ich war ja schließlich nicht abhängig oder sonst irgendwas. Ich hatte einfach ein bisschen zu viel gearbeitet.«
»Ich hoffe, das ist die Wahrheit.«
»Das ist die Wahrheit, und du kannst allen anderen dort drüben sagen, sie können das Theater sein lassen«, sagte er, während sich allmählich eine Spur von Zorn in seine Stimme schlich. »Mir geht’s hier drüben ausgezeichnet.«
»Wenn du es sagst.«
»Ich sage es.«
»Na schön, dann gibt es also kein Problem«, sagte ich. »Ich finde aber trotzdem, wir sollten diese Spritztour unternehmen.«
»Im Augenblick passt es zeitlich einfach nicht gut«, erwiderte er, und nun war sein Tonfall mit Beton ummauert. Er hatte noch nicht aufgelegt, aber die Verbindung war bereits abgebrochen. Er war wieder Jack Shaw, der Filmstar und Fremde. »Vielleicht im Dezember.«
Wenn du dann noch nicht tot bist, dachte ich, aber ich sagte: »Ja. Wir werden zum Skilaufen fahren.«
»Grüß Chuck und Lindsey«, sagte er.
»Und du grüß Sly und Arnold.«
Er kicherte. »Mach ich.«
»Hey Jack?«
»Ja?«
»Ich bin hier, wenn etwas ist. Falls du mich brauchst.«
»Danke, Ben. Nicht nötig. Wir sprechen uns bald wieder.«
»Okay.«
Ich hörte ihn leise aufseufzen. »Hör auf, dir ständig Sorgen zu machen«, sagte er.
»Das kann ich nicht«, sagte ich. »Und deine Sorgen muss ich mir auch machen, sonst macht sie sich ja keiner.«
»Mach’s gut, Ben.«
»Mach’s gut.«
Ich rollte mich auf die Seite und dachte daran, wie leicht es früher für uns fünf gewesen war, zusammen einfach irgendwo herumzulungern. Jack, Chuck, Lindsey, Alison und ich. Ganz gleich, wo wir uns aufhielten, es herrschte immer eine gemütliche Stimmung zwischen uns, die uns allen die Gewissheit gab, dass wir uns am richtigen Ort befanden. Jetzt mussten wir uns Mühe geben, um überhaupt noch Platz im Leben der anderen zu finden, um die Bedeutung, die wir füreinander hatten, aufrechtzuerhalten. Auf dem College war unsere gegenseitige Freundschaft für uns alle der Lebensmittelpunkt gewesen, und nun hatte die Zentrifugalkraft der Zeit sie an die Peripherie gedrängt, wo sie Gefahr lief, gänzlich aus dem Kreis hinausgeschleudert zu werden. Dreißig … scheiße!
Die kryptongrünen Leuchtziffern auf dem Radiowecker neben meinem Bett sagten mir, dass es kurz nach zwei Uhr morgens war. Scheiße. Ich war wach für den Tag. Ich schlurfte ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Kein
Baywatch
, daher entschied ich mich für eine
National-Geographic
-Sondersendung über Giraffen. Auf dem College waren Jack und ich oft bis spät in die Nacht aufgeblieben und hatten uns
National-Geographic
-Sondersendungen und
Im Reich der wilden Tiere
angesehen. Wir hatten sogar überlegt, irgendwann in den nächsten Jahren in Afrika auf eine Safari zu gehen. Während die Giraffen schwerfällig durch die namibischen Weiten schritten, erklärte der unvermeidliche britische Kommentator, dass das Herz einer durchschnittlichen Giraffe fünfundzwanzig Kilo wog.
Ich wusste, wie sie sich fühlten.
12
J erry Garcia war vielleicht tot, aber das hielt die Band in Ruby’s nicht davon ab, ihm auf der Bühne noch einmal den Rest zu geben, mit
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