Zeit für Plan B
während er sein Bier austrank und sich noch etwas Pasta auf den Teller füllte. »Ich glaube nicht, dass unser Freund dort oben das hier als nettes kleines Collegetreffen betrachten wird, wenn er aufwacht.«
»Man kann nie wissen«, sagte ich. »Jack war schon immer ein ziemlich relaxter Typ. Vielleicht sagt er einfach nur ›na meinetwegen‹ und nimmt’s gelassen.«
»Ja«, sagte Chuck sarkastisch. »Wenn du dir vorgenommen hast, morgen einem sorgenfreien Jack zu begegnen, dann hoffe ich, du hast reichlich Kokain eingepackt, denn das ist das Einzige, was verhindern wird, dass er völlig durchdreht.«
»Er hat recht«, sagte Alison. »Ich weiß noch, wie Jack ausgeflippt ist, als ich seinen Koks die Toilette hinuntergespült habe.«
»Was ist überhaupt, wenn er aufwacht?«, fragte ich. »Das haben wir uns noch gar nicht überlegt. Woher wird er denn überhaupt wissen, wo er ist?«
»Vielleicht sollten wir ihm eine Nachricht hinlegen«, sagte Lindsey. »Ben, du bist der Schriftsteller.«
»Du sagst das, als ob es etwas Gutes ist«, sagte Chuck grinsend. Ich rammte ihm meine Frühlingsrolle ins Gesicht.
Nach dem Abendessen sahen wir uns alle die Spätnachrichten an, in denen es in erster Linie um den Bericht von einem katastrophalen Zugunglück in New Jersey ging. Dreizehn Tote. Ich musste an meine Bemerkung Chuck gegenüber denken, dass die Nachrichten nichts weiter als eine verfremdete Zählung der sensationellsten Todesfälle eines Tages darstellten. Die wirklich üblen hatten, wie mir jetzt auffiel, sogar ihr eigenes Logo.
Während der Werbepausen begann ich in Gedanken, die Nachricht an Jack zu entwerfen; vorgenommen hatte ich mir eine kurze Notiz, doch dann entwickelte sie sich zu einer ellenlangen Epistel. Es ist immer dasselbe. Wenn ich bis Redaktionsschluss eintausend Wörter zu Papier bringen soll, bin ich nach dem ersten Absatz wie blockiert, aber für eine bedeutungslose Notiz, die überhaupt nur von einem einzigen Menschen je gelesen werden wird, fließt die Tinte wie ein Fluss.
Lieber Jack,
keine Sorge, du schwebst nicht in Gefahr. Alison, Lindsey, Chuck und ich sind zusammengekommen, um unsere eigene, private kleine Rehaklinik ins Leben zu rufen, und du bist unser erster und einziger Patient. Ich bin durchaus zuversichtlich, dass du, wenn du aufwachst, stocksauer wegen alledem sein wirst. Du wirst ein paar wichtige Besprechungen für die Vorproduktion verpassen, und du wirst zweifellos deinen Koks vermissen, aber wir haben nun schon seit längerem dich vermisst, Jack.
Du sagst immer, dass ich zu sehr in der Vergangenheit lebe, dass ich immer denke, damals auf dem College sei alles besser gewesen. »Lebe für den Augenblick, Ben«, hast du immer gesagt. »Den wirst du nie wiederbekommen.« Ich weiß noch, wie du mir einmal eine Kassette geschenkt hast, auf der nur eine einzige Zeile aus diesem einen Billy-Joel-Song war, immer und immer wieder aufgenommen, ständig hintereinander. Neunzig Minuten lang »… die guten alten Zeiten waren nicht immer gut, und morgen wird auch nicht so schlimm, wie es scheint«. Du hast mir gesagt, ich soll es mir jeden Abend vorm Einschlafen auf meinem Walkman anhören, damit es sich mir einprägt. Du hast dich mit der Gegenwart immer leichter getan als ich mich, und darum habe ich dich immer beneidet. Bis jetzt. Vielleicht irre ich mich, wenn ich glaube, dass die guten alten Zeiten immer gut waren, aber eines, was ich mit Sicherheit weiß, ist: Der gute alte Jack war immer gut, und weitaus besser dran als dieser hier.
Du warst der lässigste Typ, den ich kannte. Absolut cool. Nichts konnte dich erschüttern oder dein Selbstvertrauen ins Wanken bringen. Es war so leicht für dich, für den Augenblick zu leben, da deine Augenblicke immer so viel besser waren als die der anderen. Du konntest dir die Frauen beliebig aussuchen, und jeder schien dich zu mögen. Du warst im besten Sinne beliebt, und das, ohne dir Mühe zu geben, als sei es dir völlig egal. Ich schätze mich glücklich, dein Freund zu sein.
Und jetzt, zum ersten Mal, seit ich dich kenne, habe ich das Gefühl, ich bin besser dran als du. Mein Leben ist vielleicht nicht dort, wo iches gern hätte, aber wenigstens löst es sich nicht im wahrsten Sinn des Wortes vor meiner Nase auf. Du bist ständig high, und deine täglichen Unternehmungen sind Eskapaden geworden, ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Du bist nun stolzer Besitzer deines ganz persönlichen Strafregisters, und du verbringst
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