Zeitbombe Internet
sichere https-Zugang sei zwischenzeitlich geblockt worden. Facebook selbst räumt ein, dass der tunesische Staat in der Lage gewesen wäre, die Firma zu zwingen, die Verschlüsselung fallen zu lassen â oder eben den Zugang zu Facebook abzuschneiden.
Sicher ist: Facebook-Nutzerkonten wurden gehackt. Vom tunesischen Repressionsapparat missbraucht. Politische Aktivisten gerieten dadurch ins Visier der Polizei und der Geheimdienste, und das geschah nach Berichten der technisch versierten amerikanischen Organisation für Bürgerrechte im Internet, der Electronic Frontier Foundation, auch mit Nutzern von Internetdiensten wie Yahoo!, Google und dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dass die Sache für die Tunesier, soweit bekannt ist, glimpflich ausgegangen ist, liegt am ehesten daran, dass Diktator Ben Ali schon wenige Tage nach dieser Aktion, Mitte Januar 2011, ins Exil nach Saudi-Arabien floh.
Die einen werden von ihren Freunden bloÃgestellt. Die anderen durch staatliche Behörden verfolgt. Für die einen wird
es peinlich, für die anderen geht es um Freiheit und Revolution oder Repression, Gefängnis und Folter.
Kommunikationsplattformen wie Facebook sind ambivalent, so viel ist auch in Ãgypten klar geworden. Der politische Sturz von Präsident Hosni Mubarak durch Demonstranten bekam den Namen »Facebook-Revolution«. Nach anfänglichem Zögern, unterstützt durch die Armee, organisierten sich die Demonstranten Anfang 2011 vor allem über Facebook. Dort wurden Nachrichten weitergereicht, Fotos verbreitet, zu neuen Demonstrationen aufgerufen. »Facebook war schon vorher populär«, sagt die Journalistin und Bloggerin Amira al Hussaini aus Bahrein. Sie beobachtet seit Jahren die Internetszene und die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Nordafrika sowie im arabischen Raum. Als internationale Expertin für diese Themen war sie von der Deutschen Welle , dem deutschen Auslandsrundfunk der ARD, im Jahr 2011 gebeten worden, die weltweit besten Blogger zu küren. Al Hussaini sagt über die Bedeutung von Facebook im arabischen Raum und in Nordafrika: »Das Leben dort findet normalerweise innerhalb der Mauern der Familie statt. Facebook gab den Menschen die Gelegenheit, mit anderen in Kontakt zu kommen, zu sehen, wie andere leben, neue Bekanntschaften zu schlieÃen. Oft haben sich die Menschen dafür allerdings falsche Namen zugelegt.« Aus diesem Grund sei Facebook schon seit Längerem sehr populär in der Region. Allerdings, darauf weist Amira al Hussaini auch hin, sei Facebook häufig eine Quelle für die Geheimdienste. Wenige Jahre vor dem Sturz Hosni Mubaraks hatten politische Aktivisten versucht, via Facebook einen Generalstreik in Ãgypten zu organisieren. Die Initiatoren seien später anhand ihrer Facebook-Aktivitäten identifiziert, gefangen, misshandelt und eingesperrt worden.
Zwei Männer haben die Stärken und Schwächen von Sozialen Netzwerken in Revolutionen intensiv diskutiert, unter anderem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung : Der amerikanische Medienwissenschaftler Clay Shirky von der New York University glaubt, dass Facebook und Co. »die soziale Koordination« in Entwicklungs- und Schwellenländern so
sehr verbessern, dass sie ernsthaft dazu beitragen, deren Regime unter Druck zu setzen. »Haben diese Regime Recht, sich (davor) zu fürchten? Ich glaube, ja.« Er nennt Beispiele aus Burma, Moldawien und der Ukraine und glaubt, dass sich »diese Staaten von Bedingungen bedroht fühlten, unter denen sich eine Ãffentlichkeit mit sich selbst identifizieren und sich miteinander abstimmen kann«. Aus diesem Grund hätten sie Kommunikationsplattformen wie Facebook und Twitter geblockt.
Evgeny Morozov, Herausgeber des amerikanischen Magazins Foreign Policy, ist hier eher Pessimist â unter anderem mit Blick auf den Iran. »Ich glaube, die iranischen Behörden (sehen) einen enormen Gewinn darin [...], regierungsfeindliche Iraner bei der Koordination ihrer Aktionen zu beobachten: bei der öffentlichen Koordination auf Facebook und Twitter.« Nach den groÃen Demonstrationen wurden viele Wortführer verhaftet. Wie man sie aus der Masse herausgefiltert hat? Das ist in vielen Fällen nicht bekannt.
Bei Facebook selbst ist ein Wandel zu beobachten. In den Jahren 2008 und 2009 feierte man in der Zentrale im kalifornischen Palo Alto die Tatsache, dass sich politische Bewegungen mithilfe des
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