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Zeitbombe Internet

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Titel: Zeitbombe Internet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fischermann
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etwas öffentlich wird, was nicht öffentlich werden sollte, ist das oft peinlich – manchmal fatal.
    Für Thomas und Sabine wurde es (nur) peinlich: Unter ihren Freunden war zumindest einer, der einen riesigen Spaß an dem Trennungsdialog hatte – und den, fand er, sollten andere auch haben, also kopierte er ihn einfach und veröffentlichte das Teenagerdrama für jedermann einsehbar im Internet. Mehr als dreißig Leuten, die sich hinter Spitznamen verbargen, diskutierten dann bei www.lamebook.com über Thomas, wie er da so öffentlich bettelt, fleht und droht:
    deadvices schrieb: »Los Thomas, … bekommst eine Eins fürs Anstrengen.«
    Miss Shegas : »Stalker werden immer stalken. Zum Glück war dieses arme Mädchen klug genug, diesen Spinner so schnell abzuschießen. Gruselfaktor 11.«
    Maggie : »Ich denke, Thomas sollte einfach schwul werden. Er wäre dann die Frau in der Beziehung.«
    Quest4cb : »Thomas erinnert mich an meinen ersten Mann. SCHAUDER!«
    Vermutlich wird Thomas das verkraften, und seine Ex-Freundin auch, aber trotzdem illustriert dieses Beispiel ziemlich gut, dass Nachrichten, die jemand auf Facebook hinterlässt, erstaunliche Wege zurücklegen. Dass man sich nicht darauf verlassen sollte, dass nur diejenigen eine Kommunikation auf Facebook verfolgen, die man dazu eingeladen hat.
    Zu Recht wurde in den vergangenen Jahren diskutiert, welche sozialen Folgen Facebook hat. Wie man damit umgeht,
wenn Kinder dort nicht nur Freunde finden, sondern auch gemobbt und Arbeitskollegen angeschwärzt werden. Aber inzwischen erreichen die Nebenwirkungen eine andere Dimension. Sind uns die Folgen schon so richtig klar?
    Wenn Diktatoren heimlich lauschen
    Der Sicherheitschef von Facebook, Joe Sullivan, bekam in den Weihnachtstagen des Jahres 2010 beunruhigende Nachrichten. Angeblich sollten die Facebook-Seiten von politisch aktiven Tunesiern gekapert und teilweise gelöscht worden sein. Sullivan dachte zunächst, das könne gar nicht sein, erzählt er dem amerikanischen Magazin The Atlantic. Doch dann fanden er und seine Kollegen nach zehn Tagen intensiver Analyse einen Beweis, der sie schaudern ließ: Die tunesischen Telekomfirmen und Internetzugangsanbieter hatten auf ihren Computern, den großen Knotenpunkten des tunesischen Internet, ein Spionageprogramm installiert. So versuchten sie, nach und nach alle Passwörter des ganzen Landes auszuspähen und die Bürger, die im Internet surften, zu überwachen.
    Â»Wir hatten bisher mit Internetzugangsanbietern zu tun, die versucht haben, unsere Seite zu blocken oder herauszufiltern«, sagt Facebook-Mann Sullivan. »In diesem Fall aber waren wir damit konfrontiert, dass die Internetzugangsanbieter etwas bis dahin Beispielloses taten, in dem sie versuchten, aktiv Nutzerdaten abzufangen.«
    Nach Presseberichten verwendete die staatliche Telekom-Aufsicht des Landes die erspähten Passwörter unmittelbar, um mehr als hundert Foren zu schließen, in denen sich Gegner des damaligen Präsidenten austauschten und Protestkundgebungen organisierten.
    Grundsätzlich war lange bekannt, dass die tunesische Regierung das Internet streng kontrolliert. Alle Internetzugangsanbieter mieten ihre technische Infrastruktur über die staatliche Aufsichtsbehörde, die wiederum die staatliche Infrastruktur, also die zentralen Leitungen, kontrolliert. Deshalb
konnte der Staat auch, jenseits des speziellen Passwort-Diebstahls, vor langem eine Internet-Filtersoftware namens Smartfilter von der US-amerikanischen Firma Secure Computing einsetzen. Als missliebig betrachtete Internetseiten wurden auf diese Weise gesperrt.
    Facebook reagierte auf den Fischzug der tunesischen Behörden und Unternehmen schnell und in dem klaren Bemühen, seine Nutzer zu schützen. Erstens lenkte das Team um Sullivan alle Versuche aus Tunesien, das Soziale Netzwerk zu erreichen, auf einen sogenannten https-Server um. Der verschlüsselt jede Kommunikation zwischen Nutzer und Internetseite. In einem zweiten Schritt führte Facebook für alle Tunesier eine weitere Sicherheitshürde ein. Wer sich einloggen wollte, dem wurden die Gesichter von mehreren Freunden aus seinem Netzwerk gezeigt. Wer die Namen nicht kannte, durfte nicht auf das Nutzerkonto zugreifen.
    So wogte der technische Wettkampf zwischen Facebook und den tunesischen Staats-Hackern hin und her. Menschenrechtsgruppen aus der Region berichten, der

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