Zeitbombe Internet
Angriffstool. Wenn alle Computer ähnlich funktionieren, reicht ein Virus, um sie alle zu steuern oder auszuschalten.«
»Wer das nicht will, muss konsequent entnetzen«, so sieht
es Gaycken. Sprich: Wer seine Daten wirklich geheim halten möchte, darf keine Netze bauen. Er muss sie auf Computern speichern und seine Programme ausschlieÃlich auf Rechnern laufen lassen, die für sich alleine stehen. Er muss Inseln schaffen. Er muss auf die Geschwindigkeit, Zentralisierung, bessere Verwaltung und die vielen Effizienzgewinne verzichten, die das Internet üblicherweise bringt.
»Physische Trennung ist das Einzige, das Sicherheit gewährleistet«, glaubt auch der Mannheimer Informatikprofessor Freiling (der bereits erwähnt wurde und sich auf Sicherheitsprobleme bei Computern spezialisiert hat). »Das ist der einzige Weg, um diesen furchtbaren Zustand zu beheben, den die Informatiker über die Welt gebracht haben.« Freiling lacht, das war natürlich ein Scherz, aber auch wieder nicht, oder nur teilweise. »Die Erwartungen, die die Informatik in der Welt geweckt hat, sind unter diesen Umständen gar nicht alle erfüllbar â Erreichbarkeit, Produktivität, Flexibilität durch Integration und Mobilität«, sagt Freiling. Zu kurz gedacht. Zu viele Nebenwirkungen. Zu viele Gefahren. Seine Meinung zu »smarten Häusern«? »Da graut es mir ehrlich gesagt vor«, sagt Freiling.
Nachtrag
Moskau. 14. Januar 2010, 23:05 Uhr. Auf dem Moskauer Gartenring rauschen Autos vorbei, aber heute fahren einige etwas langsamer als sonst. Kurz vor dem Serpuchow-Tunnel zeigen zwei elektronische Werbetafeln eine unerwartete Szene : Auszüge aus einem Hardcore-Porno.
Irgendwer hat eine Vorführung gefilmt und den Film vom Filmchen ins Internet gestellt. Als später Zehntausende die Szene in Videoportalen wie »YouTube« anklicken, sind die Ermittler dem Schuldigen schon auf der Spur: Ein Arbeitsloser aus der Schwarzmeerstadt Noworossisk, ein ehemaliger Systemadministrator â so berichteten es einige russische Medien â sei der Porno-Hacker gewesen. Er war wohl auch umgehend
geständig. Er sei in die Systeme der Werbefirmen eingedrungen, um ein wenig Schabernack zu treiben. Er habe die Leute auf der StraÃe unterhalten wollen.
Man merkt es schon. Je mehr wir unsere Welt vernetzen, desto eher können Hacker unseren Alltag übernehmen. Nicht alle sind spätpubertierende Spielkinder geblieben.
4. Die Mithörgesellschaft â Wie Facebook und Co. die Vertraulichkeit der Kommunikation abschaffen
Eines Abends konnten Freunde von Thomas und Sabine einen herzzerreiÃenden Dialog bei Facebook verfolgen:
Thomas: »Baby, biiiittte, lass uns die Sache in Ordnung bringen. «
Sabine: »Nein, ich habe es dir gesagt, es ist vorbei. Wir bleiben besser nur gute Freunde.«
Thomas: »Baby, Sabine, bitte, ich will mit dir zusammen sein.«
Sabine: »Thomas, wir waren drei Wochen zusammen ⦠Das ist kein so groÃes Ding, du musst das nicht so schwer nehmen. Wir können gute Freunde bleiben.«
Thomas: »BABY, BITTE GIB MIR EINE CHANCE. ICH KANN DAS ALLES WIEDER GUT MACHEN!!!! BABY, DU SAGST VERRÃCKTE DINGE, LASS MICH RÃBERKOMMEN.«
Sabine: »Nein Thomas, wir reden morgen in der Schule.«
Thomas: »BABY, ICH BEKOMME PANIKATTACKEN!! DAS WEISST DU! ICH WILL VORBEIKOMMEN. BITTE ! ! ! !«
Sabine: »N.E.I.N. NEIN! Wir reden MORGEN!!
Thomas: »Baby, bitte, ich will vorbeikommen â¦Â«
Sabine: »NEIN! MEIN VATER IST HIER UND SAGT, DASS ES ZU SPÃT IST UND AUSSERDEM GANZ EINFACH : NEIN!!!!«
Thomas: »BABY, BITTE!«
Thomas: »GEH ANS TELEFON!!!!«
Thomas: »Baby, bitte!!«
Sabine: »Nein!«
Soziale Netzwerke haben die Welt verändert. Millionen Teenager haben entschieden, ihr Medium der Wahl seien nicht mehr Briefe oder Tagebücher. Stattdessen schreiben sie alles ins Netz, fotografieren oder kommentieren per Handy-kamera in kleinen Videospots. Die Nichtigkeiten, die Dummheiten,
Liebe und Frust. Sie machen Notizen über erfahrenes Unrecht und erlebten Sex, sie sind gemein, überschwänglich, liebevoll, tränendrüsig, romantisch, verletzend, im Stakkato â und lassen in Sozialen Netzwerken andere mitlesen. In den Kreis der Mitleser aufgenommen zu werden, das geht ziemlich schnell. Dafür tauscht man eine kurze Nachricht aus. »Willst Du mein Freund sein?«, steht darin,
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