Zeitbombe Internet
Sozialen Netzwerks organisierten. Inzwischen versucht das Management, politische Aktivisten zu schulen: wie sie sich in geschlossenen Gruppen auf Facebook treffen können, die nur für deren Mitglieder sichtbar und auffindbar sind. AuÃerdem scheint es so zu sein, als blockiere das Netzwerk nicht mehr überall, wenn Nutzer unter falschem Namen agieren â sofern die Gründe plausibel erscheinen. Diese Themen treiben die Macher bei Facebook um, und dabei geht es nicht um Werbedollar, sondern um die Ãberzeugung, wie wichtig das Recht auf freie MeinungsäuÃerung ist. Sonst würde es solche Hilfestellungen mit Sicherheit nicht geben. Aus diesem Verhalten lässt sich aber auch schlieÃen, dass Facebook sich der Sollbruchstellen in der eigenen Software bewusst ist. Dass auch in der Firma darüber debattiert wird, wie viel Ãffentlichkeit gut ist.
In all dem manifestiert sich eine für alle Kommunikationsmittel
geltende Dualität: Teils fördern sie Freiheit und Demokratie â teils sind sie Kontrollinstrumente des Staates. Facebook ist aus eigenem Antrieb die wichtigste Plattform für Kommunikation im Internet geworden. Was bei Facebook gilt, setzt Standards. Deshalb diskutiert die westliche Welt anhand dieser Firma stellvertretend für alle groÃen Internetunternehmen die Frage, unter welchen Bedingungen Kommunikation im digitalen Raum stattfindet. Wie man einen wirksamen Sichtschutz einbaut. Wie man das Recht auf freie MeinungsäuÃerungen gewährleistet und ob man es in Staaten gewährleisten kann, die keine Skrupel haben, Andersdenkenden hinterherzuspionieren. Kann man digitale Plattformen entwickeln, die nicht durchlässig sind oder verwanzt, wie früher die Wohnungen von Dissidenten verwanzt waren? An Facebook entscheidet sich inzwischen in erheblichem MaÃe, wie viel Privatsphäre sich die Menschen bewahren können â und wollen. Aber die Sache zieht noch gröÃere Kreise: Ein vor allen Zugriffen geschützter Raum war über Jahrhunderte die Basis einer bürgerlichen Existenz. Hier konnte sich der Einzelne ungestört entfalten â und dazu gehörte vor allem, sich in Ruhe eine politische Meinung zu bilden. Dieser Raum ist in Deutschland per Grundgesetz geschützt, und das daraus abgeleitete Grundrecht erstreckt sich auch auf die unbeobachtete Kommunikation mithilfe technischer Systeme wie dem Telefon. Facebook fällt mehr und mehr in die gleiche Kategorie.
Wir stehen vor einer entscheidenden Frage: Eine Handvoll Firmen ist gerade dabei, die menschliche Kommunikation auf den Kopf zu stellen, auf der ganzen Welt Servertürme fürs globale Schwatzen zu errichten und kein Wort des Gesagten mehr zu vergessen. Können wir uns wirklich in ihre Hand begeben?
Der scheue Mark
Der junge Mann, der von anderen so viel Offenheit fordert, der glaubt, wenn die Menschen offener seien, wäre die Welt ein besserer Ort, bleibt selbst ein verschlossener und in der Ãffentlichkeit unsicherer Mensch. Mark Zuckerberg liegt seine öffentliche Rolle nicht, und es ist gar nicht so lange her, dass ihm bei einem halbstündigen Fernsehinterview angesichts kritischer Fragen der Schweià in Strömen vom Gesicht lief. Er ist eben nicht nur Mitte zwanzig. Er ist auch auÃergewöhnlich introvertiert.
Stellvertretend für die Frage, wie er selbst mit der Ãffentlichkeit umgeht, kann auch ein Treffen in Berlin im Jahr 2009 mit dem ZEIT-Magazin stehen. Der Fotograf hat für Zuckerberg eine kleine Garderobe zusammenstellen lassen, Anzüge, Hemden. Mark Zuckerberg taucht in einer Fleecejacke, Jeans und Turnschuhen auf, immer umgeben von einer Gruppe Berater, die beim Anblick der Anzüge protestieren. »This is not Mark!«, ruft eine Mitarbeiterin und zieht ein knallblaues Facebook-T-Shirt aus der Tüte, drückt es Zuckerberg in die Hand: »Hier, Mark, zieh mal lieber das an.« Er nickt zunächst und streift es sich über. »Seht ihr, das ist Mark!«, ruft die Mitarbeiterin wie eine Mutter. Er selbst schweigt. Dann diskutieren die Berater, was zu Mark passt und was nicht. Mark steht daneben, beteiligt sich scheinbar nicht. Plötzlich zieht er das Facebook-T-Shirt wieder aus und entscheidet sich für ein dezenteres in Grau. Und er schlüpft in ein dunkles, eng geschnittenes Sakko. Unsicher beobachtet er sich im Spiegel. Das Sakko sitzt. Wen sieht er jetzt, den erwachsenen Mark? Das Sakko gefällt ihm
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