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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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großen, nur von Kerzen beleuchteten Raum, der mit Sitzgruppen ausgestattet war und dessen Fenster von schweren, dunkelroten Stoffen verhängt waren. »Machen Sie es sich bequem«, sagte sie, »die Getränke sind bereits im Anmarsch!«
    Kaum saßen alle, traten hinter einem Vorhang mehrere junge Frauen hervor. Wilhelm sah, dass auf den Tischen Champagnerflaschen bereitstanden. »Meine Damen, meine Herren, Sie kennen sich ja bereits, auf eine förmliche Begrüßung können wir sicherlich verzichten.«
    Die Herren erhoben sich freudig, Gläser wurden gefüllt, ein Grammophon, das in der Mitte des Raumes stand, wurde in Gang gesetzt: der Radetzky-Marsch. Und nun setzte eine Geschäftigkeit ein, die Wilhelm verblüffte. Jede der Damen setzte sich wie auf Kommando einem der Herren auf den Schoß. Man prosteste sich zu. »Auf einen wundervollen Abend!«, rief die Dame des Hauses. »Es ist für alle Wünsche gesorgt.«
    Wilhelm stand unschlüssig neben dem Grammophon. »Und für Sie, tapferer junger Krieger, ist natürlich ganz besonders gesorgt«, sagte sie und wandte sich zu dem Vorhang, durch den jetzt eine junge Frau in den Raum trat. Charlotte!, dachte Wilhelm. Als sie vor ihm stand und ihr Gesicht hob, sah er jedoch, dass sie es nicht war.
    Er küsste ihre Hand und beeilte sich dann, ihr ebenfalls ein Glas Champagner zu holen. »Von Schwemer«, stellte er sich vor, als sie sich zuprosteten, »Wilhelm von Schwemer.«
    »Mia«, antwortete sie leise. »Das ist mein Name«, fügte sie hinzu, als sie seinen verwunderten Gesichtsausdruck bemerkte. »Möchten Sie tanzen?«
    Die Schallplatte war gewechselt worden, es erklang das »Püppchen«. Mehrere Paare hatten sich erhoben und tanzten. »Ich habe viel von deinem Abenteuer gehört«, sagte das Mädchen, das nun dicht an Wilhelm herantrat. Er wusste nicht, was ihn mehr faszinierte – der würzige Duft, der von ihrem Hals zu ihm aufstieg,oder die Leichtigkeit ihres Körper, den er spürte, als sie sich an ihn schmiegte. »Magst du mir davon erzählen?« Bevor er antworten konnte, fuhr sie fort: »Hier ist es zu laut, lass uns in ein ruhigeres Zimmer gehen.«
    Sie ergriff seine Hand, führte ihn hinter den Vorhang und eine Treppe hinauf. »Es ist gleich hier«, sagte sie, als sie spürte, dass er zögerte. Sie gingen einen schmalen, schwach beleuchteten Flur entlang, dann öffnete sie eine Tür und zog ihn hinter sich in eine Kammer.
    Kaum waren sie eingetreten, legte sie ihre Arme um seinen Hals. »Magst du mein Parfum? Es ist neu. Madame meinte, du würdest es mögen.« Sie öffnete seine Jacke und zog sie ihm aus. Während sie damit begann, sein Hemd aufzuknöpfen, schob sie ihn langsam zu dem Himmelbett, das in der Mitte des Raumes stand. Wilhelm wollte ihr wahrheitsgemäß antworten, dass ihm der Duft ausgezeichnet gefiele, merkte jedoch, dass ihm die Stimme versagte. Als er plötzlich rücklings auf dem Bett lag und ihren Körper auf sich spürte, hatte er das Gefühl, der berauschende Duft würde ihn machtvoll in eine andere Welt führen, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Als er ihren Mund auf seinem spürte und ihr Haar sein Gesicht bedeckte, wusste er kaum mehr, wo er war. »Du brauchst nichts zu tun, folge mir einfach«, sagte sie, »denk an nichts und spüre mich nur.« Das tat er.
    *
    Die Rufe auf dem Flur hörte zuerst das Mädchen. Sie richtete sich auf und lauschte. Auch Wilhelm war schlagartig hellwach – Türenschlagen, schwere Schritte auf der Treppe. Hastig kleidete er sich an. Jetzt waren aus dem Nebenzimmer aufgeregte Stimmen zu hören. Er ging zur Tür und trat auf den Flur hinaus.
    Jemand ergriff seinen Arm, es war sein Vater. »Komm! Der Wagen ist schon angelassen. Nimm alles mit, lass nichts liegen. Wir fahren!« Der Freiherr eilte zur Treppe, ohne Jackett, die Hosenträger baumelten an der Seite seiner Hose, er trug nur einen Schuh.
    Wilhelm folgte ihm nicht, er ging zu dem Zimmer nebenan, dessen Tür offen stand und aus dem die Stimmen kamen. EinMann lag am Boden, zwei Männer beugten sich über ihn, einer tätschelte seine Wange, ein anderer versuchte, ihn hochzuziehen. Es war Kommerzienrat Rohrbach, der am Boden lag und schwer atmete, das Gesicht schmerzverzerrt. Die beiden anderen bemerkten Wilhelm, es waren Major Berndorff und von Schroeter. »Er hat einen Herzanfall«, sagte Berndorff. »Wir müssen ihn zum Arzt bringen.«
    »Ist es nicht besser, einen Arzt kommen zu lassen?«, fragte Wilhelm.
    »Unmöglich, das geht nicht. Was soll er

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