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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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Überraschend sanft entgegnete der Freiherr: »Was, mein Junge? Wovon sprichst du?«
    »Was Sie eben gesagt haben – das von den Frauen.«
    Bedächtig nickte der Freiherr mit seinem schweren Kopf, als wollte er seinem Zweitjüngsten Anerkennung dafür zollen, die wichtigen Fragen des Lebens zu erkennen. »Die Frauen, mein Sohn – ja, was wollen sie? Keiner weiß das so genau. Sie selbst wahrscheinlich am allerwenigsten. Aber erst mal wollen sie alles haben, alles, was die Männer auch haben. Was dabei herauskommt, wird man dann schon sehen, nicht wahr? Abgeordnete wollen sie werden, mein Junge, ins Parlament wollen sie, mit den Männern über die Geschicke unseres Landes diskutieren.« Er schnaubte verächtlich, ergriff dann die zerknüllte Serviette und wischte sich damit den Schweiß aus dem Gesicht, was eine dünne Spur Bratensoße auf der Stirn zurückließ.
    »Wenn es nur ums Diskutieren ginge«, fügte er leise und wie zu sich selbst hinzu. »Entscheiden wollen sie, mitentscheiden! Frauen!«
    Er sah aus, als würde er gleich weinen vor Enttäuschung über so viel Undank in der Welt. Sein Gesichtsausdruck wechselte jedoch schnell wieder zur Kampfeslust, als er sah, wie Elisabeth sich erhob, hinter ihren Stuhl trat und leise, aber bestimmt sagte: »Genau. Endlich haben Sie mal etwas begriffen. Ich empfehle mich für den Rest des Abends.«
    »Halt!«, rief er, »hier wird nicht aufgestanden, bevor ich fertig bin.«
    Elisabeth drehte sich noch einmal um und sagte: »Sie sind doch längst fertig mit dem Essen, die Soße tropft Ihnen ja schon von der Stirn …« Damit verließ sie langsam den Raum. Es war ein Abgang, wie ihn Asta Nielsen nicht hätte besser machen können.
    »Ich denke, es ist Zeit für deine Zigarre«, sagte Helène von Schwemer zu ihrem Mann, »außerdem haben wir noch etwas zubesprechen, was wichtiger ist. Geht schon vor, ich komme gleich nach.« Dabei sah sie erst Wilhelm an, dann seinen Vater. Zu Wilhelms Überraschung nickte der nur kurz, erhob sich und strebte zu seinem Rauchzimmer.
    Als Wilhelm eintrat, stieß sein Vater gerade mit einem lauten Seufzer die erste Rauchschwade in die Luft, als wolle er endlich Dampf ablassen. Er deutete auf einen der Ledersessel. »Setz dich.« Dann ging er, die Zigarre mit zwei Fingern zwischen den Lippen drehend, vor Wilhelm auf und ab. »Bevor sie kommt, nur kurz dies«, sagte er. »Freitagabend wird die dir bekannte Herrenrunde eine Exkursion unternehmen. Ich möchte, dass du uns begleitest.«
    »Exkursion?«
    »Es gibt manchmal Dinge, bei denen man unter einem fremden Dach besser aufgehoben ist. Du wirst schon sehen. Nun zu dem anderen Thema: Adalbert.«
    Wilhelm sah ihn gerade fragend an, als sich die Tür öffnete und Helène eintrat. »Ja«, nahm sie den Faden auf, »Adalbert, dein Bruder. Du weißt, dass es ihm nach wie vor nicht gutgeht. Seine Lunge wird immer anfälliger und schwächer, trotz aller ärztlichen Bemühungen. Wenn nicht bald eine Therapie gefunden wird, die anschlägt, wird er um einen Aufenthalt in der Lungenheilanstalt nicht herumkommen.«
    Sie setzte sich auf den Platz neben Wilhelm. »Richard, bitte!«, sagte sie leise und wedelte mit einer Hand den Zigarrenqualm von sich fort. »Dein Vater und ich«, sagte sie dann, »wir möchten dich bitten, mit Adalbert zu Professor Schweninger zu gehen. Dein Vater hat einen Termin bei ihm für Adalbert bekommen.«
    »Sie meinen den ehemaligen Leibarzt des Kanzlers?«
    »Genau«, antwortete der Freiherr, »Bismarcks Wunderdoktor. Er hat ihm mindestens viermal geholfen, von der Schippe zu springen. Und Bismarck war sechsmal so alt und zehnmal so dick wie unser Adalbert. Da wird ihm für den Jungen ja wohl auch etwas einfallen.«
    »Aber er …«, hob Wilhelm an. Seine Mutter legte ihre Hand auf seinen Arm und sagte: »Ich weiß, es gibt seltsame Geschichten über diesen Professor. Seine Wasserkur wird von vielen als Scharlatanerie angesehen. Aber normale Ärzte konnten Adalbert bisher auch nicht helfen. Also sollten wir dem Wunderdoktor eine Chance geben.«
    Wilhelm hatte von Schweningers Praktiken gehört. Er war von einem Chirurgen, der im letzten Krieg mehr Beine amputiert hatte als jeder andere, zu einem Verfechter der Reformmedizin geworden: Er propagierte Wasser als das Allheilmittel. Heißes Wasser, sonst nichts. Es hieß, dass er sich selbst von nichts anderem als Wasser ernährte. Seine schlanke Figur, die sich von den üblichen Männersilhouetten abhob, schien das zu

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