Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Dinge kann er sich nur verschaffen, wenn Anna ihm davon erzählt. Und freiwillig tut sie das bestimmt nicht. Mit anderen Worten, er hat Vorkehrungen getroffen, sie sich zu schnappen, sobald sie in die Nähe des Spiegels kommt. Damit ist das Projekt gestorben, es ist viel zu riskant.«
José widersprach. »Es ist nicht ganz ungefährlich, aber ich glaube, es wäre das Risiko wert. Wir könnten uns dadurch vielleicht einen entscheidenden Vorteil verschaffen. Und wir würden natürlich für Annas Sicherheit sorgen.«
Damit war es abgemacht. Nun mussten wir nur noch die Einzelheiten planen.
»Das halte ich für recht verwegen, doch durchführbar«, sagte Mr Scott, während er reihum Tee nachschenkte. »Und ich bin Ihnen gern in jeder nur denkbaren Weise behilflich.«
Wir hatten Mr Scott in seiner Buchhandlung aufgesucht, weil wir für die reibungslose Durchführung von unserem Projekt Spiegel seine Hilfe benötigten. In seinem gemütlichen Hinterzimmer besprachen wir alles Nötige bei einer Tasse Tee.
Der alte Buchhändler hatte ziemlich verdutzt ausgesehen, als José, Sebastiano und ich nach Einbruch der Dunkelheit so plötzlich bei ihm aufgetaucht waren, denn wir hatten ihn vorher nicht benachrichtigt. Über Josés Erscheinen war er jedoch weniger verblüfft, als ich erwartet hatte. Er nickte nur nachdenklich und meinte, er habe immer gewusst, dass Mr Marinero noch ein Ass im Ärmel hätte.
Trotzdem hatten wir die nötige Vorsicht walten lassen, bevor wir ihn aufgesucht hatten. Sebastiano war zweimal als Bettler verkleidet an der Buchhandlung vorbeigeschlurft, um sicherzugehen, dass sich keiner von Fitzjohns Spitzeln in der Nähe herumtrieb. Doch zu unserer Erleichterung wurde der Laden nicht ausgespäht. Fitzjohn schien seine Kräfte bereits woanders zu bündeln.
Mr Scott reichte mir die Zuckerdose, dann rieb er sich den Beinstumpf an der Stelle, wo das Holzbein festgemacht war. Man sah ihm an, dass er wieder Schmerzen hatte. Aber mehr noch setzte ihm der Verlust seines Enkels zu. Er vermied es, über den Jungen zu sprechen, und als ich einmal gedankenlos erwähnte, wie gern Jerry den kleinen Hund gehabt hatte – wir hatten Sisyphus mitgebracht, weil er hier fürs Erste besser aufgehoben war –, stiegen dem alten Mann Tränen in die Augen. Ich hätte ihm gern versprochen, dass wir Mr Fitzjohn seine Verbrechen heimzahlen würden, aber wir wussten ja selber nicht, ob alles gut ausgehen würde. Wenn wir mit unseren Bemühungen scheiterten, mussten wir vielleicht den Rest unseres Lebens – falls wir nicht vorher von Mr Fitzjohn aus dem Weg geräumt wurden – in einer immer wiederkehrenden Zeitschleife verbringen.
Beim gemeinsamen Teetrinken nahm ein Plan Gestalt an – eine Art Überraschungscoup. Mr Scott wollte uns einen schlagkräftigen Trupp von mindestens fünf vertrauenswürdigen Männern besorgen, die uns als Eskorte in unser Haus am Grosvenor Square begleiteten und uns den Rücken freihielten, während wir uns Zugang zu dem Spiegel verschafften.
»Aber wird Fitzjohn nicht damit rechnen, dass wir mit entsprechender Verstärkung kommen?«, warf Sebastiano ein. »Es kann sein, dass er ebenfalls mehrere Männer um sich gesammelt hat, um ganz sicherzugehen, dass Anna ihm nicht entkommt.«
»Deshalb sollten wir das Ganze mit einem zusätzlichen Ablenkungsmanöver verbinden«, meinte Mr Scott. Er hielt inne und klingelte nach der Haushälterin. »Mrs Simmons, bringen Sie uns doch bitte noch Tee.«
Sie verschwand wieder, und Mr Scott fuhr mit seinen Erläuterungen fort. »Ein Brand scheint mir dafür am geeignetsten.«
»Ein Brand?«, wiederholte ich erstaunt. »Was für ein Brand? Wollen Sie etwa das Haus abfackeln?«
»Nur ein ungefährliches kleines Küchenfeuer, aber dafür eines mit möglichst viel stinkendem Rauch, das zuverlässig alle Bewohner ins Freie treibt.«
»Und in der Zwischenzeit kommen wir mit unseren Leuten durch die Hintertür und suchen inmitten des ganzen Chaos unbemerkt Fitzjohns Räume auf«, ergänzte José. Er sah den alten Buchhändler beifällig an. »Ein guter Plan. Er hätte von mir sein können.«
Mr Scott freute sich jedoch nicht über Josés Lob. Er nickte nur gedankenverloren und blickte mit geröteten Augen ins Leere. Es war klar, was er dachte – all seine Anstrengungen konnten Jerry nicht zurückbringen.
»Nun noch die Uhrzeit«, sagte José. »Ich würde vorschlagen, morgen Abend, wenn es dunkel ist, denn dann lässt sich die allgemeine Verwirrung besser
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