Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
ausnutzen.«
»Sehr gut«, stimmte Mr Scott zu. »Sagen wir, um neun Uhr. Ich werde mit den Männern pünktlich dort sein.«
Mrs Simmons brachte frisch aufgebrühten Tee, und wir tranken jeder noch eine Tasse, bevor wir aufbrachen. Ich verabschiedete mich von Sisyphus und versprach ihm, dass wir uns bald wiedersehen würden. Und dass ich dafür sorgen würde, dass man ihn nie an die Kette legte. Als ich sein flaumiges Köpfchen streichelte, kamen mir die Tränen. Einerseits wollte ich nur noch heim, zurück in meine eigene Zeit. Andererseits würde ich den kleinen Kerl entsetzlich vermissen.
Niedergedrückt und erschöpft ging ich abends in unserem geheimen Unterschlupf schlafen – ohne Sebastiano, denn José und er wollten unbedingt noch ein paar Dinge wegen des morgigen Vorhabens besprechen. Auf der Rückfahrt zur Herberge hatte José erklärt, mit einigen Umstellungen an der Dampfmaschine könne er vielleicht ein stabiles Tor konstruieren und so die Verbindung mit dem Zeitstrom vollständig wiederherstellen. Seit seiner Rückkehr verschwand er jeden Tag für ein paar Stunden, um gemeinsam mit Mr Stephenson an der Maschine zu arbeiten – an einem geheimen Ort, den er uns nicht verriet. Wir wussten nur, dass die Maschine sich nicht mehr in der James Street befand, sondern auf Josés Veranlassung hin in aller Eile fortgebracht worden war.
Ich war so müde, dass ich von der leise geführten Unterhaltung nichts mehr verstand. Trotz meiner zahlreichen Sorgen und Ängste fiel ich sofort in einen tiefen und zum Glück traumlosen Schlaf.
Als ich wieder aufwachte, hatte ich das Gefühl, noch keine fünf Minuten geschlafen zu haben. Sebastiano beugte sich über mich und rüttelte an meiner Schulter. »Wach auf, Anna!«
Im Licht der Nachtkerze wirkte sein Gesicht ernst und entschlossen. Er trug Hut und Umhang und – wie ich zu meinem Entsetzen feststellte – einen Waffengurt mit einer Pistole.
»Du musst aufstehen.«
Panisch fuhr ich hoch. »Hat er uns gefunden? Müssen wir abhauen?«
»Reg dich nicht auf. Nur eine kleine Planänderung. Wir ziehen das Projekt Spiegel schon heute Nacht durch.« Er öffnete das Fenster einen Spalt und lauschte in die Nacht. »Sei leise. Und mach schnell.«
»Okay. Ich beeil mich.« Mein Herz raste immer noch vor Schreck, ich fühlte es hämmern wie die rasende Dampfmaschine von Mr Stephenson. Hastig suchte ich meine Kleidungsstücke zusammen, doch Sebastiano nahm sie mir aus der Hand und schob mir die Jungssachen hin, die ich meist trug, wenn ich mit ihm in der Stadt unterwegs war. Er hatte recht – für unser Vorhaben waren sie besser geeignet als lange Röcke, die mich nur beim Rennen behindern würden. Vor allem, wenn es im Haus brannte. Konfus purzelten meine Gedanken durcheinander, während ich in die Sachen schlüpfte und mich hastig kämmte.
»Warum muss es heute Nacht sein?«, flüsterte ich. »Hat Mr Scott denn schon alles in die Wege geleitet?«
»Wir machen es allein. José meinte, es wäre sicherer so.«
Ich dachte fieberhaft nach, dann begriff ich. »Die Haushälterin, oder? Mrs Simmons. Sie hat uns so neugierig angestarrt. Wenn ich genau drüber nachdenke, glaube ich mich sogar zu erinnern, dass ich ein schwaches Jucken im Nacken gespürt habe!«
»Wirklich?«
Ich nickte eifrig. »Ich dachte, es käme vom Ofen, der war direkt hinter mir und ziemlich heiß, deshalb habe ich nicht weiter drauf geachtet. Aber ich wette, sie hat uns belauscht. Sie ist Fitzjohns Informantin! Deshalb waren auch keine anderen Beobachter in der Nähe, denn sie steckt ihm ja alles, worüber wir geredet haben. Du liebe Zeit, beinahe wären wir in die Falle gelaufen!«
»José hat die Lage zum Glück durchschaut. Kann’s losgehen?«
»Sofort.«
Ungeduldig sah er zu, als ich mir hastig einen Zopf flocht, das zerzauste Ergebnis meiner Bemühungen hinten in die Jacke stopfte und mir eine Kappe über den Kopf stülpte.
Sebastiano trat dicht an mich heran und strich mir sanft über die Wange. »Was immer auch geschieht – keine Alleingänge. Du tust nur das, was José und ich dir sagen. Versprich es!«
»Ich versprech’s.«
»Gut.« Er packte mich unversehens, zog mich an sich und küsste mich mit stürmischem Verlangen. Verblüfft erwiderte ich seinen Kuss, bis er sich widerstrebend von mir löste. »Auf ins Abenteuer. Wir rocken das. Los, sprich es mir nach!«
»Wir rocken das«, gab ich atemlos zurück. Und es klang so, als würde ich wirklich dran glauben.
Es war geradezu
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