Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
was ich als Nächstes tat, blieb mir keine Wahl, denn in seinen Augen glomm die schiere Mordlust. Er würde mich umbringen, so oder so. Wahrscheinlich hatte Fitzjohn ihm für die demnächst anbrechende Zeit seiner Herrschaft eine umfassende Amnestie für alle früheren und noch zu begehenden Schandtaten versprochen.
»Sorry, es ist nichts Persönliches«, ächzte ich mit erstickter Stimme. »Aber bitte geh zum Teufel!«
Er riss erstaunt die Augen auf – und verschwand in einem flimmernden weißen Loch. Das Licht war nur kurz aufgezuckt und sofort wieder erloschen, aber es hatte ihn in null Komma nichts verschluckt. Eben noch hatte er mich am Hals gepackt, und im nächsten Moment war er weg. Ich stolperte einen Schritt zur Seite, weil ich wegen seines plötzlichen Verschwindens das Gleichgewicht verloren hatte. Gleich darauf wurde ich aufgefangen – von einer großen, fetten Matrone, die vor lauter Schreck ihren Fächer verloren hatte.
»Verdammt!«, zischte Sebastiano grimmig und gar nicht ladylike. »Ich hatte den Kerl draußen vermutet. Dass er hinter dir her ist, hab ich erst bemerkt, als du nicht mit Fitzjohn und dem Prinzen rauskamst!«
»Ist ja alles gut gegangen. Ich hab ihn mit der Maske weggeschickt.«
»Wohin?«
»Äh … zum Teufel«, sagte ich beklommen. »Ich schätze, er hängt jetzt irgendwo im Zeitschacht rum.«
»Gut so.« Er erstarrte. »Himmel, dein Hals! Lass mich sehen.«
»Es geht schon. Ist nichts weiter passiert.« Vorsichtig massierte ich meine Kehle und überlegte, ob diese Würge-Attacken ebenfalls eine logische Konsequenz des Zeitwächter-Jobs waren. Irgendwie kam bei mir das Würgen auf Abendgesellschaften überdurchschnittlich häufig vor, obwohl ich meine Selbstverteidigungstechnik gerade gegen diese Art von Angriffen im Laufe der letzten Jahre extra intensiviert und verfeinert hatte.
Dann wurde mir unvermittelt klar, dass ich einen wichtigen Trumpf aus der Hand gegeben hatte. »Jetzt ist leider die Maske weg«, informierte ich Sebastiano kläglich.
»Das spielt keine Rolle mehr. José hat die Maschine so umgebaut, dass sie auch ohne die Maske funktioniert.« Er hielt kurz inne. »Hoffentlich.« Mit festem Griff umfasste er meinen Arm und zog mich weiter. »Komm, es geht gleich los!«
Vor den offenen Fenstertüren sowie draußen auf der Terrasse drängten sich die Gäste. Ein wogendes Durcheinander aus Seide, Tüll und Samt erstreckte sich vor uns, überragt von wippenden Pfauenfedern auf kunstvoll gearbeiteten Kopfbedeckungen. Die Lampions auf der Terrasse und die kristallenen Kronleuchter im Saal tauchten die Umgebung in ein malerisches Licht, es sah aus wie die Kulisse eines Märchenfilms. Nur, dass das hier kein Märchen war, sondern blutiger Ernst.
Sebastiano bahnte uns einen Weg durch die Menge. Ich folgte ihm blindlings und mit hämmerndem Puls.
Draußen auf der Terrasse war sie – die fauchende, dampfende Maschine von Mr Stephenson. Er selbst stand freudestrahlend davor und erläuterte den staunenden Zuschauern die Funktionsweise. Sein Gesicht war rußverschmiert und sein Arbeitsanzug von Ölflecken übersät. Am anderen Ende der Maschine schaufelte der Heizer unermüdlich Kohle in den flammenden Schlund des Ofens. Gegen die unmenschliche Hitze trug er eine Schutzbrille und eine Art Metallschürze.
Sebastiano zog mich weiter, bis wir direkt hinter Prinny und Fitzjohn standen. Prinny hatte leutselig den Arm um die Schultern seines vermeintlichen Bruders gelegt und lauschte dem Vortrag des Ingenieurs. Eigentlich war es eher ein Gebrüll, denn die Dampfmaschine wurde immer lauter. Bei dem Hämmern und Fauchen konnte man meinen, sie würde gleich platzen.
»Aaah!«, tönte es ringsum einstimmig. Die Umstehenden wichen ein Stück zurück, als ein Funkenschauer aus dem Ofen kam und in den Nachthimmel stieg.
»Keine Sorge, sie funktioniert einwandfrei!«, rief Mr Stephenson.
»Was genau kann sie denn nun, außer einer Menge Dampf zu spucken und Krach zu machen?«, rief Prinny gut gelaunt zurück.
»Es ist eine Art Reisemaschine«, schrie Mr Stephenson mit leuchtenden Augen. »Wenn sie mit voller Kraft läuft und der Druck in den Kesseln am höchsten ist, kann man hier hineintreten und an einem beliebigen Ort wieder herauskommen.« Er deutete auf eine schmale, etwa mannshohe Öffnung, die von einem rot gestrichenen Metallrahmen umgeben war, den ich vorher noch nicht an der Maschine gesehen hatte.
»Wo genau kommt man denn heraus?«, rief einer der
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