Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
nach Brighton, wo wir einige gemütliche, faule Tage in einer netten kleinen Pension verbrachten und nichts anderes taten als zu schlafen, gut zu essen, mit Sisyphus am Strand spazieren zu gehen und, na ja, was frisch Verlobte eben sonst noch so tun, wenn sie allein sind.
Als wir in der Woche darauf wieder nach London zurückkamen, erfuhren wir zu unserem Erstaunen, dass Iphy ihren Plan, Sebastiano zu erobern, endgültig aufgegeben hatte. Stattdessen war sie mit fliegenden Fahnen zu George übergelaufen. Seine Schwerhörigkeit und sein fehlender Modegeschmack hatten sie nicht davon abgehalten, sich in einer Opernloge von zwei Patronessen weinend in seinen Armen erwischen zu lassen. Das wäre vielleicht nicht weiter anstößig gewesen, hätte sie dabei obenrum was angehabt.
George hatte dem Vernehmen nach wohl stammelnd behauptet, Iphy habe nur Schutz bei ihm gesucht, nachdem ihr zufällig das Kleid aufgegangen war. Natürlich kaufte ihm keiner diesen Blödsinn ab. Aber er sah rasch ein, dass es für einen Mann von Ehre nur einen Ausweg gab – er hielt in aller Form um Iphys Hand an. Sie hatte ihn sauber reingelegt, aber eines musste man ihr lassen: Irgendwie schaffte sie es binnen Tagen, ihm das Gefühl zu geben, dass sie die Erfüllung all seiner Träume war. Seine Schwärmerei für mich war restlos verflogen, wovon ich mich selbst überzeugen konnte, als die beiden uns an unserem letzten Tag im Jahr 1813 zufällig über den Weg liefen.
Wir waren mit Jerry auf dem Weg in die James Street, denn José hatte uns eine Nachricht geschickt. Die Nachricht, auf die wir seit Tagen gewartet hatten.
Es ist so weit .
»Ach du Schande, das fehlt uns jetzt gerade noch«, sagte Sebastiano halblaut, als Iphy uns hektisch zuwinkte und George mit einem gewagten Bremsmanöver seinen offenen Zweisitzer neben unserem Einspänner zum Stehen brachte.
Ich hatte vom Anblick der beiden einen Kloß im Hals, denn das war genau die Situation, die ich hatte vermeiden wollen: nur keine Abschiede mehr, die taten einfach zu weh. Ich hatte geglaubt, es so gut wie möglich hinter mich gebracht zu haben. An Mr Turner hatte ich eine nette und kurze Botschaft gesandt, derzufolge mein Bruder und ich bald eine längere Reise unternehmen würden, weshalb ich ihm und seinem Vater auf diesem Wege von Herzen alles Gute wünsche. Mr Scott hatte einen ähnlichen Brief von mir erhalten, nur etwas länger. Darin hatte ich versucht, ihm zu erklären, dass ich seine Gefühle und Motive sehr gut nachempfinden könne und dass wir ihm trotz allem nichts nachtrugen. Auch ihm hatte ich alles Gute für die weitere Zukunft gewünscht.
Janie und Cedric hatte ich einen Teil unseres verbliebenen Bargelds zugesteckt, und Bridget hatte ich all meine Schuhe zukommen lassen – ich wusste zufällig, dass wir dieselbe Schuhgröße hatten. Die Handtaschen hatte ich als Dreingabe dazugelegt und bei dieser Gelegenheit auch Sebastianos Halstücher und Schnupftabakdosen mit eingepackt, denn Meeks sollte nicht leer ausgehen. Dem Groom hatte ich ein Goldstück gegeben, was er sofort zum Anlass genommen hatte, sich vor lauter Freude zu betrinken. Im Augenblick war er damit beschäftigt, im Stall seinen Rausch auszuschlafen.
Nur von Iphy und George hatte ich mich nicht verabschiedet, was ich nach Lage der Dinge verständlich fand, denn es hätte mir das Herz bloß noch schwerer gemacht. Ich hatte schon vor einer Stunde Rotz und Wasser geheult, als ich Sisyphus Lebewohl gesagt hatte. Es tat weh, von Freunden Abschied zu nehmen, vor allem, wenn es ein Abschied für immer war.
»Du hast es wahrscheinlich schon gehört«, rief Iphy freudestrahlend. »George und ich sind verlobt.«
»Gratuliere«, sagte ich mit belegter Stimme. »Ich hoffe, dass ihr sehr, sehr glücklich werdet.«
Das war völlig aufrichtig gemeint, doch irgendwie kam es bei Iphy falsch an. Sie wurde rot und wich meinen Blicken aus, und George fing an, mit sichtlich schlechtem Gewissen herumzudrucksen. »Anne, meine liebste, beste …« Er kriegte von Iphy einen Ellbogen in die Rippen und brach ab, um dann – diesmal vorsichtiger in seiner Wortwahl – mit seinem Gestammel fortzufahren: »Mylady, ich hoffe inständig, dass meine Verlobung mit Lady Winterbottom Sie nicht in irgendeiner Weise brüskiert oder verletzt, und falls dies doch der Fall sein sollte, so sehen Sie mich wirklich und wahrhaftig untröstlich, das müssen Sie mir glauben!«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir dämmerte, worauf er
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