Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Treffpunkte, da würden alle maßgeblichen Leute hingehen.«
Bei dem Wort Treffpunkte tauchten Bilder vor meinem geistigen Auge auf, die dem Begriff Herrenclub eine ganz neue Bedeutung verliehen. Ich sah eine Lasterhöhle mit plüschigen roten Samtvorhängen. Frauen in Strapsen und knappen Korsagen wuselten um die Dandys herum, die an den Kartentischen saßen und zockten, vor sich ganze Batterien halb voller Whiskyflaschen. Ich musste blinzeln, weil das Bild einer Szene in einem Western ähnelte, denn die Männer hatten alle Cowboyhüte auf, und an einem Tresen im Hintergrund hockte auf einem Barhocker ein Typ, der aussah wie Christoph Waltz in Django Unchained . Meine Fantasie warf da definitiv was durcheinander, aber das Bild wollte nicht verschwinden.
»Auf jeden Fall ist alles ganz harmlos«, sagte Sebastiano. »So wie bei uns in den Golf- und Jachtclubs. Ich schätze, sie sitzen einfach bloß am Kamin, rauchen Pfeife, trinken was zusammen und reden über Politik.«
»Ich habe aber keine Lust, hier tatenlos rumzusitzen, während du die einflussreichen Leute kennenlernst«, wandte ich ein.
Bevor er etwas erwidern konnte, klopfte es an der Tür und Mr Fitzjohn steckte seinen Kopf herein. »Ich habe einen der Lakaien zu den Ställen gesandt. Ihre Kutsche wird sicher gleich vorfahren, Mylord.« Er trat an den Tisch, ein kleines silbernes Tablett in der Hand, auf dem ein zusammengefaltetes Stück Papier lag. »Wenn Sie erlauben, Mylord. Soeben ist Besuch erschienen. Lady Iphigenia Winterbottom und ihr Cousin Lord Reginald Castlethorpe bitten darum, Ihnen ihre Aufwartung machen zu dürfen.«
Sebastiano warf mir einen fragenden Blick zu, und ich nickte eifrig. Lady Iphigenia! Das war die Frau, die für den Inhalt meines Ankleidezimmers verantwortlich war. Ich brannte darauf, sie kennenzulernen.
»Führen Sie die Herrschaften in das Empfangszimmer, Mr Fitzjohn«, bat Sebastiano. »Wir kommen sofort.«
Das Empfangszimmer war ein großer, ganz in Blau und Gold gehaltener Raum mit geschwungenen Samtsofas und einem imposanten Marmorkamin. Drei hohe Fenster wiesen auf einen typisch englischen, parkähnlichen Garten, den ich bisher noch nicht gesehen hatte. Ich konnte nur einen flüchtigen Blick hinauswerfen, denn die Besucher zogen sofort meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Lady Iphigenia war geradezu atemberaubend hübsch, mit dicht bewimperten, veilchenblauen Augen und rabenschwarzen Locken, die zu einer modischen Kurzhaarfrisur gestutzt waren und auf solch elegant zerzauste Weise unter ihrem schräg sitzenden Hütchen hervorquollen, dass es unmöglich vom Wind herrühren konnte. Ihr Lächeln war breit und so strahlend, dass man es unwillkürlich erwidern musste. Ihre schlanke, aber an den richtigen Stellen gerundete Figur war in ein wunderschönes lavendelblaues Tageskleid mit Perlmuttknöpfen gehüllt. Dazu trug sie farblich passende Handschuhe, die sie soeben abstreifte.
Lord Castlethorpe war ein hochgewachsener blonder Gentleman, der aussah wie ein junger Gott und geradewegs aus einem Hollywoodstreifen entsprungen zu sein schien. Ich betrachtete sprachlos zuerst sein markantes, gebräuntes Gesicht und ließ dann verlegen den Blick tiefer gleiten, zu einer makellos sitzenden Weste mit edel glänzendem Paisleymuster. Dabei überlegte ich, an welchen Filmschauspieler er mich erinnerte. Es musste jemand ganz Berühmtes sein, denn er kam mir unglaublich bekannt vor.
Während ich noch fieberhaft darüber nachdachte, übernahm er mit tadelloser Höflichkeit die Aufgabe, sich und seine Cousine vorzustellen.
»Sie müssen uns verzeihen, dass wir ohne jede Anmeldung hier auftauchen«, sagte Lady Winterbottom anschließend mit einem perlenden kleinen Lachen, das niedliche Grübchen in ihren Wangen auftauchen ließ. »Zumal die Zofe, die ich Ihnen vorstellen möchte, erst heute Nachmittag aus Dartford anreist. Aber ich musste Sie einfach jetzt schon kennenlernen, also habe ich den guten alten Reggie gezwungen, mich zu begleiten.«
Der gute alte Reggie lachte ebenfalls, und ich stellte fest, dass seine Zähne genauso weiß und perfekt waren wie die von Sebastiano. Ich grübelte immer noch, an wen er mich erinnerte.
»Nicht doch, Iphy«, sagte er fröhlich. »Ich war ja mindestens genauso neugierig wie du. Hättest du mir nicht den passenden Vorwand geboten, hier vorstellig zu werden, so hätte ich mir selbst einen ausdenken müssen.« Anerkennend sah er sich um. »Ein sehr schönes Haus haben Sie hier, Sir. Wenn auch
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