Zeitfinsternis
dauert es noch, bis sie hierhergebracht wird?“
„Drei.“
Als er das letzte Mal gefragt hat, sind es auch drei Tage gewesen; er weiß also, daß seine Gedanken in eine Zeit zurückgekehrt sein müssen, die nicht lange danach liegt.
„Was wird genau in diesem Augenblick in der Sache unternommen?“
„Ihre Herkunft wird überprüft“, sagt M ASCHINE , „um genau herauszubekommen, wer sie ist, damit die richtige Person zu dir gebracht wird.“
Seine Gedanken führen ihn zu einem anderen Problem. „Du hast gesagt, daß es hier eine Tür gibt. Wo ist sie?“
„Es gibt einen Eingang und einen Ausgang.“
„Gut. Zeige es mir. Ich möchte hinausgehen.“
Er hört ein Geräusch – ein Geräusch, daß weder von ihm selbst noch von M ASCHINE oder ihren Schirmen stammt –, und er fährt herum. Er sieht, wie eine gesamte Wand nach oben gleitet und in der Decke verschwindet. Wo früher die Wand war, ist jetzt nur noch ein schwarzes Loch. Erster kneift seine Augen zusammen und versucht, die Dunkelheit zu durchdringen.
„Da sind Kleider“, sagt M ASCHINE .
Langsam, Schritt für Schritt, geht Erster zum Ende des Zimmers. Die Dunkelheit weicht vor ihm zurück, als er näher kommt. Er sieht die Kleider jenseits der Linie liegen, die einmal die Grenze seiner Wohnung war.
„Du wußtest das“, sagt er.
„Ja.“
„Und du hast es mir nicht gesagt.“
Fast erwartet er, daß sie das abstreitet, aber statt dessen kommt die Antwort:
„Es war vorher nicht notwendig, daß du davon wußtest. Das macht keinen Unterschied – du wirst gehen.“
„Wirklich?“
Auf rhetorische Fragen gibt M ASCHINE keine Antwort. Nicht immer.
Erster zieht sich ohne Schwierigkeiten an und fragt sich, was geschehen wird, wenn er die bekannten Wände hinter sich läßt. Will er überhaupt gehen? Er muß es aber, weil er es tun wird.
Er geht allein hinaus. Er ist ein bißchen überrascht, daß M ASCHINE sich nicht rührt. Sie muß wohl wissen, daß er in Sicherheit ist und zurückkommen wird. M ASCHINE kennt alle Antworten.
Obwohl einige der Beobachter Verbündete von Resnais waren, konnten sie sich nicht ohne Gefahr mit ihm in Verbindung setzen – genauso wenig wie er mit ihnen –, um ihn davon zu unterrichten, was sich an anderen Orten abspielte. Es war bekannt, daß solche Übertragungen ohne Ausnahme vom Ersten abgehört wurden. Charles Resnais lebte und arbeitete in einem Vakuum. Er kannte den Zeitplan, das Datum, an dem Erster sterben sollte, den Zeitpunkt, an dem Lothringen und die anderen Länder aus dem Treibsand herausgezogen und vorwärts geführt werden sollten. Der Weg würde nicht leicht sein, und früher oder später würden sie die Männer vernichten müssen, die Flandern regierten. Je früher, desto einfacher – bevor sie bemerkt hatten, daß Erster nicht mehr da war und die Politik sich radikal änderte.
Als die beteiligten Beobachter es dann erfuhren, ergriffen sie die Initiative, und einer von ihnen wurde weggeschickt, um Resnais zu warnen. Die anderen ignorierten, was sie auf ihren Bildschirmen sahen, als er aus dem Baum herausstieg und nach Verdun hastete, wo er zum Zauberer Napoleons XV. sagte: „Erster hat jemanden hinter dir hergeschickt. Er ist jetzt hier, in Verdun.“
„Bist du sicher?“ fragte Resnais.
Der Mann nickte, weil er noch immer außer Atem war. Er war den größten Teil der Strecke gerannt.
„Bist du sicher, daß er hinter mir her ist?“ Aber schon, als er fragte, wußte er, daß es für die Ankunft des Mannes keinen anderen Grund geben konnte.
„Es sieht so aus. Er hat den Mann gekannt, den du umgebracht hast.“
Resnais biß sich auf die Lippen und fluchte in sich hinein. Er hätte nicht so ungeduldig sein sollen. Er hätte Lawrence noch ein paar Tage am Leben lassen können, um die Sache dann in die Hand zu nehmen, wenn Erster aus dem Weg geräumt war.
„Ich muß wieder zurück“, sagte der Beobachter. Er drückte dem anderen etwas in die Hand. „Das ist er.“
Resnais sah sich das Bild des Mannes an, der ausgeschickt worden war, um ihn zu töten… und den er zuerst würde töten müssen.
Als die Sonne den Zenit überschritten hatte und sein Magen wieder zu knurren anfing, war er immer noch auf der gleichen Straße, ritt immer noch in der gleichen Richtung – vorausgesetzt, daß die Straße nicht eine Biegung gemacht hatte. Er war der Ansicht, daß sie ihn nach Westen führte, aber er war sich da nicht völlig sicher, und es war ihm auch relativ
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