Zeitfinsternis
oder sonst irgend etwas. In Flandern hatten sie nur deshalb Erfolg gehabt, weil sie das benutzten, was sie mitgenommen hatten – Waffen, ein paar Energieeinheiten –, und nicht, weil sie über das Wissen verfügten, etwas herzustellen. Auf der Oberfläche war nichts mehr übrig, was irgendwie brauchbar war. Alles war entweder weggebracht, zerstört, unter die Erde gebracht worden oder verloren. Chemiebücher und Solarbatterien; Aspirin und Plastikteelöffel. Was nützten auch Teelöffel, wenn es keinen Tee mehr gab?
Ich sah mich nach einer Stelle um, an der ich ein Pferd bekommen konnte. Ich war vorher noch nie in Verdun gewesen; aber eine Stadt sah aus wie die andere – bis auf die jahrhundertealten Kriegerdenkmäler. Ich dachte, daß selbst dann, wenn es keine Wächter und keine Beobachter mehr gäbe, es Jahrhunderte dauern würde, bis sich etwas änderte. Wenn das überhaupt möglich war. Sie würden mit ihren kleinlichen Streitereien auch dann fortfahren, wenn sie niemand mehr dazu zwingen würde, sie würden ihre besten Männer töten und durch unkontrollierte Fortpflanzung degenerieren. Wahrscheinlich würde Flandern sie schon lange vorher überrannt haben und sie für immer in diesem düsteren Zeitalter einmauern. Aber was machte das schließlich? Mir nichts: Ich wäre dann nicht mehr da, um mich zu ärgern. War die Erde nicht dem Untergang geweiht? Konnten nicht alle in Frieden sterben?
Derart warme und aufmunternde Ideen gingen mir im Kopf herum, als ich langsam durch die Straßen schlenderte und nach einem Stall suchte.
Ich kam am Rathaus vorbei, das jetzt der Palast war, und fragte mich, was der Mörder von Lawrence wohl im Augenblick machte.
Endlich fand ich das Haus, nach dem ich gesucht hatte. Geruch von Pferden und Mist, der Duft von Heu. Ich ging hinein und sagte:
„Ich brauche ein Pferd.“
„Dafür bin ich da“, sagte der Mann.
Wir handelten, suchten eines aus, das vier Beine von gleicher Länge hatte, handelten noch ein bißchen. Ich kaufte es und bezahlte mit Silber. Sattel und Zaumzeug extra. Der Verkauf war schließlich abgeschlossen, noch mehr Silber wechselt den Eigentümer. Der Mann geht das Pferd satteln. Ich lief währenddessen gelangweilt herum und schaute zufällig zur Tür, als der Fremde hereinkam, eine Pistole in der Hand.
Ohne zu überlegen warf ich mich nach links in eine leere Box und zerrte meine eigene Waffe heraus. Ich hatte sie gerade erreicht, als das Holz verkohlte und zu rauchen begann, wo der Strahl des Ankömmlings es getroffen hatte. Ich zog mich weiter zurück. Das war der Mann, der Ken Lawrence umgebracht hatte; es konnte kein anderer sein. Ich wagte mich nach vorne, sprang aus meiner Deckung heraus und schickte einen Strahl quer auf die Silhouette in der großen Tür. Er hätte ausweichen müssen. Er wich nicht aus. Er starb.
Meine Augen fanden den Stallbesitzer, der unter dem Pferd kauerte, das ich gerade gekauft hatte. Ich hätte ihn erschießen können, aber ich wollte das Pferd nicht verletzen. Es war nicht sein Fehler, daß er Zeuge dieses kurzen Kampfes gewesen war. Er bewegte sich nicht, als ich zu der rauchenden Leiche hinüberging. Der Fremde trug nichts Interessantes an seinem Körper. Ich hob seine Pistole von der Stelle auf, wo sie hingeflogen war und verbrannte den Toten. Es stank.
Was tun? Woher hatte er gewußt, daß ich hier war? Antwort: Man hatte mich verfolgt. Woher hatte er gewußt, daß ich in Verdun war? Antwort: Jemand von unten hatte es ihm gesagt. Frage: Wer?
Sein Tod war nicht beobachtet worden, nicht hier im Stall. Eigentlich sollte ich das dem Ersten melden. Es sei denn, er wußte es – wußte, daß der Mann gekommen war, um mich zu töten. War ich an die Oberfläche geschickt worden, um dort zu sterben? Das hörte sich nicht richtig an.
Ich zog mein Kommunikationsgerät heraus. Der Mann unter dem Pferd wagte es aufzusehen, als ich anfing zu sprechen, aber er sah schnell wieder weg. Wenn er die Kühnheit besaß, jemandem davon zu erzählen, was sich hier zugetragen hatte, wer würde ihm das glauben, der noch seine fünf Sinne beieinander hatte? Und selbst wenn es jemand glaubte, machte es eigentlich auch nichts aus.
Ich sprach mit dem Ersten, erzählte ihm, was vorgefallen war, und fragte ihn, was ich jetzt machen sollte. Vielleicht wollte er, daß ich die Wohnung des Mannes im Palast untersuchte, um herauszufinden, wer er wirklich war, und um eine Antwort auf die Fragen zu finden, was hinter alledem steckte.
Mit genug
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