Zeitfinsternis
hatte. Nun war er nicht mehr der lachende, hüpfende Narr; jetzt arbeitete er eiskalt und überlegt. Sein ernster Gesichtsausdruck strafte die Maske, die auf sein Gesicht gemalt war – der grinsende rote Mund, die angemalten Wangen und das gefärbte Haar –, Lügen.
Er zog der Leiche die hohen schwarzen Stiefel aus, den Umhang, den breiten, mit Juwelen eingelegten Gürtel und das Stirnband aus Metall. Dann zog er seine eigenen weichen Pantoffeln aus, legte seine Glöckchen ab und zog die lange, nach vorn herabhängende Narrenkappe ab. Anschließend zog er das an, was er gerade Fell abgenommen hatte. Er trug noch seine Hosen und sein blauweißes Hemd, aber das machte nichts. An seinem blauen Haar konnte er ebenfalls nichts ändern. Er schnallte das Schulterhalfter über sein Hemd und wischte sich dann das Make-up weg. Er ging zur Tür und hob das Messer mit der langen Klinge auf, das er dort fallen lassen hatte, nachdem er den anderen Mann getötet hatte. Er hackte auf Fells Leiche ein, als sei er ein Metzger, der ein Rind zerteilt. Als er der Überzeugung war, die tödliche Wunde sei genug versteckt, stieß er das Messer in die Brust und klemmte es mit einem Stoffetzen fest.
Fell war größer als der Narr gewesen, und letzterer fühlte sich mehr als lächerlich in seinem überlangen Umhang und den Stiefeln, die ihm zwei Nummern zu groß waren. Daran war nichts zu ändern. Bis auf eine blies er alle Lampen aus, und diese drehte er ganz klein. Er machte die Tür auf, vergewisserte sich, daß niemand da war, und brannte das Schloß heraus. Er schloß die Tür, so gut dies möglich war, und ging durch den Gang zur Treppe hin.
Für Sir Guy von Angel war es die erste Schlacht. Er war an Stelle seines Bruders angetreten, den letzte Woche eine seltsame Lähmung seiner Gliedmaßen befallen hatte, der aber wunderbarerweise gerade noch rechtzeitig wieder genesen war, um ihm zum Abschied zuzuwinken. Guys Bruder hatte ihm auch seinen leichten Panzer und das Pferd geliehen, das sein Vater ihm vor noch nicht langer Zeit zu seinem zwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Unglücklicherweise gehörte ihm das Roß nicht mehr, weil er es in einem Würfelspiel an Baron Munchbold verloren hatte. Das war am Vorabend der Schlacht gewesen, und der Baron würde sich seinen Gewinn abholen, sobald die Auseinandersetzung zu Ende war. Guy hatte auch in dem Kampfgeschehen keine wichtige Rolle zu spielen, da Attila XXI. sich ihn für seine Leibwache ausgesucht hatte. Also hatten Sir Guy und anderthalb Dutzend weitere Ritter nichts zu tun, als zuzusehen, denn wovor sollten sie denn den König schützen?
Er starrte ungläubig auf die Szene, als die Lothringer von den schwarzen Riesen und Zwergen niedergemetzelt wurden, zu verblüfft, um irgend etwas zu denken oder zu tun, als zuzusehen. Als aber die Saarländer an der Reihe waren, verfolgt und getötet zu werden, drehte er sein Pferd herum und machte sich auf die Flucht. Der junge Sir Guy war jedoch an die Rüstung, die er trug, noch nicht gewöhnt – obwohl sie aus kaum mehr bestand als einem Helm und einer blauen Feder, einem dünnen Brustpanzer und Metallringen, die auf die alte Lederjacke seines Vaters an den Ärmeln festgenäht worden waren. Er verlor das Gleichgewicht und fiel aus dem Sattel, als sein Pferd von dem Kampfgetöse und den Geräuschen des Todes, die um es herum erklangen, scheute. Das rettete ihm das Leben. Das Visier seines Helms fiel herunter, und ohne seine Hände bekam er es nicht mehr hoch; seine Hände aber steckten in engen Handschuhen, die er ohne seine Zähne nicht herunterbekam. Er schloß einen Kompromiß, indem er sich auf die Knie erhob, sein Schwert aus der Scheide zog und durch die engen Sehschlitze starrte. Von der Gruppe um Attila, der
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