Zeitfinsternis
Handbewegung zu Guy. „Sir Wie-auch-immer.“
„Guy.“
„Genau, Sir Guy. Da Ihr der einzige seid, der mir noch bleibt, ist es Eure Aufgabe, diesen Streit zu regeln. Findet die Person, die aus dem Dorf da entführt worden ist.“
„Blancz“, warf der Zauberer ein.
„Ja, richtig, Blancz. Findet sie und bringt sie zu mir. Verstanden?“
„Jawohl, Sire“, sagte Sir Guy, der genau wußte, wie unklug es war, seinem Monarchen zu widersprechen.
Dann wandten sich die übrigen sechs Überlebenden nach Osten, und Sir Guy von Angel blieb allein zurück. Er sah sich nervös um, als erwartete er, daß eines von den riesigen schwarzen Monstern sich aus der Erde erheben und einen Speer nach ihm schleudern würde. Er klemmte sich seinen Helm unter den Arm, ließ seine Lanze liegen, wo sie hingefallen war, da dies eine gute Gelegenheit war, sie loszuwerden, und stieß seinem Pferd die Sporen in die Weichen. Das Tier setzte sich langsam in Bewegung.
Seit fast einem Jahr hatte Giuseppe Benini am Rande des Todes gelebt. Er hatte ständig erwartet, daß jemand Verdacht gegen ihn schöpfte, daß jemand herausbekam, wer er wirklich war. Er hatte seine Karten auf den Tisch gelegt, und trotzdem lebte er noch. Seinem Beispiel folgend kamen jetzt auch viele andere aus ihren Verstecken. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern – aber weit lag der Tag zurück, an dem er damit angefangen hatte, oberirdisch zu leben und sich allmählich den Zugang zum Hof Attilas zu verschaffen. Selbst jetzt hatte er dem König seinen wirklichen Namen nicht angeben wollen, denn es bestand die Möglichkeit, daß ein Beobachter die Augen offenhielt, ihn überprüfte und herausfand, wie er desertiert war. Es war ihnen doch ganz sicher klar, daß etwas nicht stimmte. Trotzdem war nichts passiert. Erster wartete. Benini hoffte, daß er weiter warten würde… Denn die Zeit war auf ihrer Seite, nicht auf seiner.
Für das, was er getan hatte, war ihm von dem Mann, welcher der nächste Erste Wächter werden sollte, versprochen worden, daß auch er selbst, Benini, Wächter würde. Aber Attilas neuer Zauberer hatte andere Pläne. Er sah keine Möglichkeit, wie das geplante Komplott Erfolg haben könnte, ohne daß das gesamte Gebäude des Beobachter-Wächter-Systems unwiederbringlich zerstört werden würde. Er hatte gesehen, was sich in Flandern abspielte, und er hatte Pläne, für sich selbst im Osten, an den Ufern des Rheins, ein bescheidenes Reich einzurichten. Benini wußte genau, daß er nicht der einzige war, der solche Pläne hatte.
Erster läuft ziellos in seiner unterirdischen Wohnung herum. M ASCHINE folgt ihm treu mit ein paar Metern Abstand. Der König ist tot; lang lebe der König. Das würde jetzt der XV. der Sohn des XIV. werden, Anders mußte ersetzt werden.
„Anders“, sagt er.
„Das ist schon erledigt“, sagt M ASCHINE .
Der, den man Erster nennt, nickt. Natürlich, das war erwartet worden, also waren die Vorbereitungen dafür schon getroffen. Alles wird immer schon erwartet. Während Erster es sagt, kommt es ihm schon bekannt vor, aber er lebt sein ganzes Leben unter dem Schatten des déjà vu.
Was gibt es noch? Er versucht nachzudenken, muß aber fragen.
„Was passiert jetzt?“
„Der neue Napoleon stellt eine Armee für eine Invasion des Saarlands zusammen.“
„So bald? Ist das eine langfristige Voraussage?“
„Sieben Tage.“
„Und danach?“
„Über diese Information verfüge ich nicht“, sagt M ASCHINE .
Aber du wirst darüber verfügen, sagt Erster zu sich selbst. Es kommt darauf an, was du mir die nächsten paar Male zu sagen hast, wenn ich auf Reisen gehe. „Was würdest du dann vermuten?“
M ASCHINES Oberflächen sind, bis auf den kleinen Bildschirm und die Löcher für die
Weitere Kostenlose Bücher