Zeitfinsternis
ein geistiges Bild von ihm zu machen, wäre es mit Sicherheit völlig falsch gewesen. Klein, mit roten Augen und sehr heller Haut – ein Albino. Der Neger hätte sein Negativ sein können, schwarz, wo er weiß war, denn sie waren fast…
Nein, nicht fast.
Ganz genau.
Der Erste und der Schwarze sind die gleiche Person.
Die Lösung paßte zu dem, was der Schwarze mir über die Zeitreise der Androiden erzählt hatte: Der Neger stammte aus der Vergangenheit oder der Zukunft. Ich nahm an, daß es die Zukunft war, wenn er wirklich hierhergekommen war, um dem Ersten etwas zu berichten. Was aber wollte er ihm sagen?
Ich bekam das nie heraus, denn der Schwarze sagte: „Ihr könnt jetzt gehen. Ihr müßt jetzt gehen.“
„Gehen?“
„Ja.“
„Wohin gehen?“
„Such deine Frau“, sagt er. „Sie ist kurz nach dir aus den Tunnels herausgegangen, im Osten. Nimm ihn mit.“ – Von Angel stand bei der Tür. Ich sah die Frau ein letztes Mal an und nickte dann. Ich ging zur Tür und folgte dem Ritter von der Oberfläche hinaus. Auch ich war nun kein Höhlenmensch mehr, sondern gehörte an die Oberfläche.
Nachdem die beiden Männer gegangen sind, schnippt die schwarze Gestalt der Frau mit den Fingern zu. Eine theatralisch und zweifellos überflüssige Geste. Aber sie erstarrt vollkommen und bestätigt damit den Verdacht des Ersten. Und er weiß, daß ihm das nichts ausmachen kann. Denn auch er ist kein Mensch.
„Weißt du, wer ich bin?“ fragt der Neuankömmling.
„Ja“, sagt der Erste. Er weiß nicht genau, warum er so sicher sein kann. „Du bist ich. Oder ich bin du. Aber ich weiß nicht…“
„Nein, du weißt es nicht. Und in zwei Tagen oder weniger wirst du es wieder nicht wissen. Nur ich weiß es, und bis vor kurzem wußte auch ich es nicht.“ Er setzt sich seinem anderen Ich gegenüber hin und sagt: „Wo soll ich anfangen?“
„Du könntest mir sagen, wie es kommt, daß du hier bist“, sagt der Erste: der Erste der Gegenwart, der weiße Erste.
„Ich bin hier für Erklärungen, das ist alles. Um mein Gewissen zu beruhigen: mein eigenes Gewissen. Damit du es wenigstens eine kurze Zeit lang verstehst. Wie ich früher.“
Der Erste denkt, daß er das nicht sehr gut macht. Er ist verwirrter denn je. Warum muß das alles erklärt werden? Könnte man es ihm nicht einfach gestatten, irgendwohin zu gehen und zu vergessen? Er weiß, das man es ihm nicht gestatten wird, zu seiner eigenen Welt zurückzukehren, nicht, nachdem er gescheitert ist. Von dort hat er nie Hilfe erhalten.
Aber ist er wirklich gescheitert? Warum sitzt da ihm gegenüber eine weitere Version seiner selbst?
„Wie können wir beide zur gleichen Zeit hier sitzen?“ fragt er. Er wünscht sich, er könne sich noch an all die Feinheiten eines nicht-linearen Lebens erinnern: daran, daß man eine ununterbrochene physische Existenz hat, die Ereignisse der Zeit 2 aber von denen der Zeit 1 kennt – also vorher, in der Zeit 1, weiß, was in der Zeit 2 geschehen wird, aber in der Zeit 2 nicht weiß, was in der Zeit 1 geschehen ist. Wie wird man damit fertig? Hat M ASCHINE auch das manipuliert? Basiert das auf Zufall? Wird er jemals die Kontrolle über sich selbst bekommen?
„Ich bin mit der Hilfe von mechanischen Geräten aus der Zukunft gekommen. Es hat viel Zeit und Mühe gekostet, das genau zu berechnen. Und viel Hilfe. So sind die Androiden hierhergekommen. Wir haben sie in der Zukunft hergestellt, haben sie dort hingebracht, wo sie erscheinen sollten, und haben sie dann zurücktransportiert.“
„Wir…?“
„Sie haben geholfen.“
„Sie…?“
„Allein hätte ich das nicht geschafft. Ihr Fehler ist ihnen klargeworden. Vielleicht ist die Möglichkeit, daß man ihnen den Planeten abnimmt – und auch uns –, weil sie in seine Entwicklung eingegriffen haben, als Faktor für ihre Entscheidung wichtig
Weitere Kostenlose Bücher