Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
unerklärlichen Grund wissen die Irokesen, was wir sind und scheinen tatsächlich Respekt vor uns zu haben.«
»In dem Fall«, erklärte Maddy daraufhin, »ist es wohl gut so, dass die Irokesen so denken, wenn es bedeutet, dass die Siedler hier dadurch in Zukunft vor ihnen verschont bleiben.«
Die Irokesen hielten Wort und es gab von ihrer Seite keine weiteren Angriffe auf Québec. Jean-Marc erholte sich jeden Tag zusehends von seinen Verletzungen und konnte inzwischen auch schon häufiger das Bett verlassen. Ich wollte nunmehr endlich mein Versprechen einlösen und ihm erklären, was ich war. Ich hatte mich mit Maddy darüber beraten und ihr erklärt, dass Jean-Marc meiner Ansicht nach ein für sein Alter erstaunlich umsichtiger und reifer junger Mann war. Sie stimmte mir daher zu, dass er in der Lage wäre, die Wahrheit zu verkraften.
Maddy hatte Jean-Marc inzwischen ein eigenes Zimmer herrichten lassen und ich holte ihn dort ab, um mit ihm ein wenig durch den Garten zu spazieren. Er sah mich erwartungsvoll an. Der Umstand, dass er bislang noch nicht einmal versucht hatte, mich über die Vorfälle im Haus seines Großvaters auszufragen, bewies erneut sein Vertrauen in mich. Ich wollte dieses Vertrauen auf keinen Fall erschüttern, daher wusste ich zunächst nicht so recht, wie ich beginnen sollte und wir gingen eine Zeitlang schweigend nebeneinander her.
»Morgen wird die Beerdigung deines Großvaters stattfinden«, begann ich schließlich. »Vermisst du ihn sehr?«
Jean-Marc sah etwas verlegen zu Boden. »Naja, Mademoiselle, Ihr habt ihn ja kennengelernt … Aber er war mein einziger Verwandter, ich habe keine Ahnung, wohin ich jetzt gehen soll.«
»Darum mach dir mal keine Sorgen«, beruhigte ich ihn rasch. »Du kannst bei uns so lange bleiben, wie du möchtest.«
Er lächelte mich zunächst erfreut an, dann senkte er wieder traurig den Kopf. »Mademoiselle, Ihr seid sehr großzügig, aber das kann ich nicht annehmen. … außer vielleicht …«, ein neuer Einfall erhellte sein Gesicht und er sah mich begeistert an, »… wenn Ihr mich für Euch arbeiten lasst. Ich könnte Euer Diener sein!«
»Auf keinen Fall!«, fuhr ich auf und Jean-Marc zuckte erschrocken zusammen.
»Entschuldige«, setzte ich dann ruhiger hinterher. »Aber ich brauche keinen Diener. Und du solltest dein Potential auch nicht weiterhin damit verschwenden, für andere zu dienen.«
»Aber es würde mir wirklich große Freude bereiten«, erwiderte er nachdrücklich und sah mich bittend an.
Ich blieb stehen und seufzte. Dann sah ich ihn ernst an. »Du hast mich hinter dem Haus deines Großvaters kämpfen sehen«, stellte ich fest.
Jean-Marc nickte zögernd.
»Und was du gesehen hast, hat dir einen großen Schrecken eingejagt«, fuhr ich fort. »Versuch gar nicht erst, es zu leugnen, denn dein Blick sprach Bände.«
Er nickte erneut und ich seufzte wieder. »Also hast du dich doch sicherlich schon gefragt, was das alles zu bedeuten hat, oder? Du hast dich gefragt, wer oder was ich bin?«
Jean-Marc räusperte sich und entgegnete dann leise: »Nun, mir ist klar, dass Ihr wohl kein normaler Mensch seid.«
»Und das macht dir keine Angst?«, fragte ich forschend.
Er schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Mademoiselle.«
»Du bist ein erstaunlicher junger Mann!«
Er sah mich hoffnungsvoll an und ich erwiderte seinen Blick ernst. »Ich bin tatsächlich kein normaler Mensch, ich bin ein Vampir.«
Nun blickte er etwas ratlos drein. »Was ist ein Vampir?«, fragte er vorsichtig.
Ich sah ihn deprimiert an und atmete dann tief durch. Dieses Gespräch gestaltete sich noch wesentlich schwieriger, als ich es erwartet hätte. Inzwischen waren wir bei Maddys Rosengarten angelangt und ich setzte mich dort mit Jean-Marc auf eine Bank.
Dann erklärte ich ihm, was Vampire waren. Ich erzählte ihm meine ganze Geschichte, angefangen von meiner Verwandlung bis zu dem Kampf gegen die Irokesen im Haus seines Großvaters. Anschließend erzählte ich ihm auch Maddys Geschichte und erklärte ihm, dass sie und ich uns gegen den Genuss menschlichen Blutes entschieden hatten. Ich unterrichtete ihn auch darüber, dass aber bei weitem nicht alle Vampire so lebten wie wir und dass es einige, wie die Sybarites, gab, die dem Genuss menschlichen Blutes sogar mit größtem Vergnügen nachkamen und ihn regelrecht zur Kunstform stilisierten.
Jean-Marc hörte mir schweigend und aufmerksam zu. »Also gibt es gute Vampire und böse Vampire, so wie es gute und
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