Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
ab, den Saint Charles River hinaufzufahren, um Québec vom Nordosten her anzugreifen, während die restlichen Schlachtschiffe begannen, Québec zu bombardieren.
Zu Maddys großem Kummer ließ sich Alexandre nicht davon abhalten, die französischen Streitkräfte in den Wäldern am Saint Charles River zu unterstützen. Er erklärte ihr mit verbittertem Gesicht, dass er sich selbst wie ein Feigling vorkäme, wenn er seinen Landsleuten nicht beistehen würde.
Maddy verstand ihn. Dennoch war sie weiß vor Angst und Sorge, als sie sich mit einem leidenschaftlichen Kuss von ihm verabschiedete.
Erst fünf Tage später sah sie ihn wieder.
Als man ihn tödlich verwundet in ihr Haus trug.
Die französischen Truppen hatten den Angriff der Engländer mit großem Erfolg niedergeschlagen und Phips’ Flotte musste zurück nach Boston abziehen. Québec war siegreich aus der Schlacht hervorgegangen, aber unser Haus war nur von Trauer erfüllt.
Man hatte Alexandres Leiche in einen der kleineren Salons getragen und sie hatte verkündet, dass sie eine Weile mit ihm alleine sein wollte und die Tür hinter sich abgeschlossen.
Ich respektierte das. Als sie jedoch nach drei Tagen immer noch nicht wieder herauskam, wurde ich etwas unruhig und klopfte an die Tür.
»Maddy?«, rief ich vorsichtig.
»Geh weg!«, rief sie durch die verschlossene Tür. »Ich sagte doch, dass ich mit ihm alleine sein will!«
Ich blickte unentschlossen auf die Tür. Wir alle trauerten um Alexandre und ich ahnte, wie unendlich groß Maddys Kummer sein musste, trotzdem konnte es nicht gut für sie sein, wenn sie sich so abschottete. Darüber hinaus musste seine Leiche beerdigt werden.
»Maddy!«, rief ich noch mal entschlossener. »Lass mich endlich rein! Du weißt, dass ich die Tür genauso gut auch aufbrechen könnte.«
Ich hörte, wie sie die Tür aufschloss, und öffnete sie vorsichtig. Sie sah mich mit eisigem Blick an. Dann ging sie ans Fenster und starrte leer hinaus.
Zögernd ging ich zu ihr. Ich hatte noch nie erlebt, dass sie eine derartige Kälte ausstrahlte.
»Maddy«, begann ich behutsam, »wahrscheinlich kann sich niemand von uns vorstellen, wie unermesslich dein Kummer sein muss …«.
»Kummer?«, unterbrach sie mich zischend. »Ich empfinde nur Hass für ihn!«
Schockiert sah ich sie an.
»Ich hasse ihn, weil er mich verlassen hat!«, stieß sie hervor. »Ich hätte ihn verwandeln können, aber er wollte es nie! Er hätte noch bei mir sein können, aber er zog es vor, sterblich zu bleiben und nun liegt er dort!«
Sie fing an zu schluchzen und die Tränen quollen aus ihren Augen hervor. Ich zog sie in meine Arme und wiegte sie langsam, stumm mit ihr mitleidend. Maddy war immer die fröhlichere von uns beiden gewesen und sie so unglücklich zu sehen, machte mich abgrundtief traurig.
So, wie ich sie jetzt in meinen Armen wiegte, hatte mich Giles einst in seinen Armen gehalten. Ich hatte ihn durch meine Selbstgerechtigkeit verloren, aber zumindest konnte ich davon ausgehen, dass er noch lebte. Die Vorstellung seines Todes durchzog mich mit einer so eisigen Kälte, dass ich mir annähernd ausmalen konnte, wie es Maddy gerade zumute sein musste.
Nach einer ganzen Weile wurde ihr Schluchzen verhaltener, und als es schließlich ganz verstummte, sprach ich sie leise an.
»Wir werden ihn beerdigen müssen, Maddy.«
Sie blickte mich gequält an. »Ich weiß. Er hat vor einiger Zeit sein Testament gemacht und es mir gezeigt. Er möchte, dass seine …«, sie schloss die Augen, aus denen erneut die Tränen hervorquollen, »… seine sterblichen Überreste verbrannt werden und die Asche auf dem Landgut seiner Familie in Frankreich verstreut wird.« Sie sah mich etwas fester an. »Ich möchte ihm diesen letzten Wunsch auf jeden Fall erfüllen. Wirst du mit mir mitkommen? Du wolltest doch ohnehin gerne nach Europa zurück.«
Ich nahm sie erneut in den Arm. »Aber selbstverständlich komme ich mit, Maddy.«
Am nächsten Tag wurde Alexandres Leiche verbrannt und seine Asche in eine Urne gefüllt, die man Maddy übergab. Das nächste große Segelschiff, das Kurs auf Europa nahm, sollte erst im Frühjahr ablegen. So blieb Maddy und mir genug Zeit, unsere Angelegenheiten in Québec zu erledigen. Sie übertrug Alexandres Geschäfte seinen Kompagnons, zahlte seine Angestellten und die Dienstboten aus und verkaufte das Haus. Wir holten unser Vermögen von der Bank und packten die wenigen Dinge ein, die wir nach Europa mitnehmen
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